Junge-Reyer für A100: Senatorin bleibt in ihrer Spur
Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer will sich vom Votum des SPD-Parteitags gegen die Autobahn nicht beirren lassen. CDU und FDP unterstützen sie.
Die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD), möchte das laufende Verfahren für die Verlängerung der A 100 durchziehen. "Die Senatorin will den Weiterbau der Autobahn 100", sagte ihre Sprecherin am Montag. Außerdem sei es "ein knappes Ergebnis" auf dem Parteitag gewesen. 118 Delegierte hatten am Sonntag gegen die Autobahn gestimmt, 101 dafür. Junge-Reyer fühlt sich an das Votum nicht gebunden. "Es gibt einen gültigen Koalitionsvertrag mit dem Auftrag, die Autobahn zu bauen, und auf dieser Basis arbeitet sie weiter", so die Sprecherin.
Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für die 3,2 Kilometer lange Autobahn vom Dreieck Neukölln bis zum Treptower Park. In der ersten Phase bis Ende April hatten rund 2.500 Bürger Einwendungen gegen das Projekt erhoben. Im November soll es eine Anhörung geben. Danach wird die Verwaltung die Einwände bewerten und außerdem Gutachten vorlegen, etwa zu den Auswirkungen auf die Umwelt. Im dritten Quartal 2010 soll der Planfeststellungsbeschluss fallen.
Formal ist dafür die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Tatsächlich kann Junge-Reyer aber nicht allein entscheiden, sondern wird von ihren Bauplänen abrücken müssen, wenn es in der Koalition keinen Rückhalt mehr für das Projekt gibt. Jutta Matuschek, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, fordert bereits, das Verfahren sofort einzustellen (siehe Interview).
Aber steht im Koalitionsvertrag nicht das Gegenteil? Jan Stöß, SPD-Kreisvorsitzender in Friedrichshain-Kreuzberg, hatte dazu bereits am Sonntag auf dem Parteitag gesagt: "Wenn beide Vertragspartner sich einig sind, dann kann man sich von einer Vereinbarung auch lösen."
Einen Verzicht auf die Autobahn fordert auch Martin Schlegel, Verkehrsreferent des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Berlin solle "endlich Prioritäten für die Sanierung des bestehenden Verkehrsnetzes, effektive Lärmschutzmaßnahmen, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie des Fußgänger- und Radverkehrs setzen". Der Autobahnbau passe nicht mehr in die heutige Zeit, in der der Autoverkehr abgenommen hat und der Anteil des Radverkehrs und des öffentlichen Nahverkehrs deutlich gestiegen ist.
CDU und FDP appellierten indes an den Senat, von seinen Autobahnplänen nicht abzurücken. Der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel: "Der Regierende Bürgermeister muss sich hier eindeutig gegen das Votum seiner Landespartei stellen. Er ist dem Wohl unserer Stadt verpflichtet, nicht dem Willen der Berliner Genossen." Ein Ende des Projekts wäre "für die Bauindustrie der Region - gerade in der jetzigen Wirtschaftskrise - fatal". Auch die Unternehmen aus den umliegenden Bezirken würden profitieren, weil sie ihren Lieferverkehr leichter abwickeln könnten. Und selbst die Anwohner würden davon profitieren, wenn der Verkehr künftig über die neu gebaute Autobahn fließt und nicht mehr durch die Wohngebiete.
JUNGE-REYERS SPRECHERIN
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