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Julian Assange offline in EcuadorEine autoritäre Maßnahme

Der internetlose Assange wirft Fragen auf. Etwa ob sich Wikileaks in den US-Wahlkampf einmischen sollte. Dennoch: Ihn mundtot zu machen, ist falsch.

Pro-Assange-Protest vor Ecuadors Botschaft in London Foto: dpa

„Die Regierung Ecuadors respektiert das Prinzip der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder, mischt sich nicht in laufende Wahlkämpfe ein und unterstützt keinen Kandidaten. Aus diesem Grund hat Ecuador, in Ausübung seines souveränen Rechts, zeitweise den Zugang [Julian Assanges] zu Teilen seiner Kommunikationssysteme in der Botschaft im Vereinigten Königreich eingeschränkt.“ So heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung der ecuadorianischen Regierung. Ergebnis: Wikileaks-Gründer Julian Assange, seit vier Jahren im politischen Asyl in Ecuadors Botschaft in London, hat vorerst kein Internet mehr.

Seit Wochen hatte Wikileaks mit immer neuen Veröffentlichungen von gehackten E-Mails die wahlkämpfenden US-Demokraten in Erklärungsnöte gebracht. Wäre das nicht von den Trump-Bändern mit seinen Prahlereien zu sexuellen Übergriffigkeiten überlagert gewesen, hätte das Hillary Clinton im Wahlkampf extrem geschadet.

Dennoch geht Wikileaks davon aus, dass Ecuador auf Druck aus den USA reagierte. „Viele Quellen“ hätten ihnen bestätigt, dass US-Außenminister John Kerry sich am Rande der kolumbianischen Friedensfeierlichkeiten am 26. September in Cartagena „mit Ecuador“ getroffen habe, twitterte die Organisation. Genauer sagt es Wikileaks nicht, andere Bestätigungen für ein solches Treffen gibt es nicht.

Plausibel allerdings ist diese Version durchaus. Im letzten Satz der Erklärung von Ecuadors Regierung heißt es: „Die Außenpolitik Ecuadors folgt ausschließlich souveränen Entscheidungen und beugt sich keinerlei Druck anderer Staaten.“ Wenn das so ist, muss man es eigentlich nicht extra hineinschreiben. Es ist eines dieser ungefragten Dementis, die eher einen Verdacht bestätigen, als ihn auszuräumen.

Assange per Drohne beseitigen

Nun kann man trefflich darüber streiten, ob Wikileaks sich mit seinem Verbeißen in den Wahlkampf der US-Demokraten nicht verrannt hat. Man kann diskutieren, ob Assange nicht einen Privatkrieg gegen Hillary Clinton ausficht, die als Außenministerin zur Zeit der Wikileaksveröffentlichung der diplomatischen US-Depeschen so sauer wahr, dass sie im kleinen Kreis (sie sagt: im Scherz) sogar vorschlug, Assange einfach per Drohne zu beseitigen. Man kann meinen, dass Wikileaks sich zugunsten Donald Trumps instrumentalisieren lasse und diskutieren, ob die Hacks nun tatsächlich aus Russland stammen, wie US-Geheimdienste behaupten. Als die Organisation jüngst ihren zehnten Geburtstag feierte, war all das Thema unzähliger Kommentare in allen Richtungen.

Was aber überhaupt nicht angesagt ist: Schadenfreude oder gar Zustimmung dazu, dass Assange nunmehr einfach die Kommunikationslinien gekappt wurde. Egal, wie unbequem oder auch inadäquat man die jüngsten Veröffentlichungen einschätzt: Den Chef mundtot zu machen, ist eine autoritäre Maßnahme, die im Rahmen demokratischer Auseinandersetzungen nichts verloren hat.

Zugegeben: Dass Assange seinerzeit ausgerechnet in der ecuadorianischen Botschaft Zuflucht fand, hatte ein Gschmäckle, war doch Ecuadors Regierung unter Präsident Rafael Correa zuvor nicht gerade als leuchtender Verteidiger der Pressefreiheit aufgefallen. Zumindest nicht im eigenen Land. Aus ecuadorianischer Sicht war das Asylangebot ein Propaganda-Coup – und natürlich eine Provokation der USA.

Aber da waren Lateinamerikas Linksregierungen noch recht stark. Egal, ob es nun direkten Druck der USA auf die Regierung in Quito gegeben hat oder ob Ecuador sich einfach bei einer zukünftigen Präsidentin Clinton einschleimen will: Der Schritt auf Assanges Kosten zeigt, dass sich die Position der wenigen verbliebenen lateinamerikanischen Linksregierungen gegenüber dem alten Hegemon im Norden verschoben haben: Venezuela steckt in einer tiefen Krise, Brasilien und Argentinien werden von Konservativen regiert, Kuba wurstelt mit der Öffnung Richtung USA und Bolivien vor sich hin – da will Ecuadors Präsident wohl vorsichtiger werden. Auf Kosten der Meinungsfreiheit und zur Freude der USA, die doch angeblich gerade für diese weltweit streiten.

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1 Kommentar

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  • Vielleicht hat Ecuador auch einfach ein Interesse daran, einen Präsidenten Trump zu verhindern.