■ Juhnke ist ein Trinker, die Privatmedien entmündigen ihn: Jämmerliche Bilder von Sat.1
Für die Bild-Zeitung ist es bereits ein neues Genre: „Nachtinterview“. Das macht nicht nur Spaß, sondern bringt auch Quote und Auflage. Einfach tagelang das Haus eines Prominenten belagern und ihn auf dem Tiefpunkt seiner seelischen und körperlichen Verfassung am Gartentor übertölpeln. Der Juhnke ist doch selber schuld, wenn er sie auch noch ins Haus läßt. Wenn dann noch der Postbote die Einstweilige Verfügung von dessen Ehefrau in den Sender bringt, mit der die Ausstrahlung verhindert werden soll, ist der Scoop da. Oh Welt, laß dich umarmen, welch ein Tag, mag sich da Sat.1-Chefredakteur Howe gedacht und einen Schluck Diebels Alt getrunken haben.
Der Medien liebster Sozialfall Harald Juhnke wird die Geister, die er rief, nicht mehr los. Tragisch für ihn, daß das gar nicht mehr seine alten Journalistenkumpels sind, die da um seinen Couchtisch herumlungern und auch gern einen mitpicheln, sondern junge Fernsehreporter, für die er bestenfalls ein schriller Typ und schlimmstenfalls ein alter Penner ist. Nicht bös gemeint Herr Juhnke, wir zoomen uns nur mal eben an ihre Narben ran.
Daß ein völlig betrunkener und entstellter Mensch Persönlichkeitsschutz genießt und vielleicht sogar Anspruch auf Menschenwürde hat, selbst wenn er Juhnke heißt, kommt der Rasselbande von Sat.1 gar nicht erst in den Sinn. Und es ist noch nicht mal ihre Schuld, denn journalistische Ethik ist in den Boulevardredaktionen des Fernsehens ein Fremdwort, und andere kennen sie nun mal nicht. Und wenn die Moderatorin Monica Lierhaus Harald Juhnke nach der Freakshow „Alles Gute!“ wünscht, dann wähnt sie sich auf der guten Seite.
Doch auch sie trägt, ähnlich wie Juhnke, nur bedingt Verantwortung für ihr Tun. Die Schuld tragen jene Leute, die solche Reporter zur Menschenjagd abrichten. Denn Bild und der Springer-Sender Sat.1 haben in Juhnke ihren Auflagen- und Quotenbringer gefunden, den sie exklusiv ausschlachten können. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Angesichts des Ausmaßes an Menschenverachtung ist eine Beerdigung live auf Sat.1 durchaus denkbar. Gesponsert von Hasseröder Pilsener.
Daß die Familie des Schauspielers nun den Wachschutz vors Haus beordert, zeigt die Ohnmacht der Betroffenen. Ebenso die Ankündigung, daß Harald Juhnke nicht entmündigt werden soll. Als hätte Sat.1 das nicht schon längst getan. Oliver Gehrs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen