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Jugendstil in Bremens Schwester Riga

■ Eine lettische Fotoausstellung in der Bremer Architektenkammer / Verfall, Pracht und große Anstrengungen

Riga ist Bremens große Schwester. Nicht nur, weil die Hauptstadt Lettlands Bremens Partnerstadt ist, auch, weil die beiden bei aller Unverwechselbarkeit Familien-Ähnlichkeiten haben. Anzugucken ist das im Moment in der Bremer Architekenkammer; da hat der lettische Architekten-Verband die Fotoaustellung „Jugendstil in Riga“ zusammengestellt.

Die vielen Fotos, eng aufgehängt und schwarz-weiß, zeigen architektonische und städtebauliche Spezialitäten. Keinen Hehl machen die Fotos aus dem Verfall, der zu Rigas Alltag genauso gehört wie die großen Anstrengungen, ihm entgegenzutreten: gesprungene Säulen, Wasserschäden, Ausblühungen, rostig aufgeblasene Eisengeländer.

Aber die Pracht daneben! Richtige Verblüffungseffekte konnte Prof. Krastins erzielen, der die Ausstellung zusammengestellt hatte und zu Eröffnung und Vortrag mit dem Rigaer Bürgermeister Andrejs Inkulis und dem Denkmalschützer und mit einem ganzen Schatz an Farbdias aus Riga nach Bremen gekommen war (Vgl. Interview). Krastins führte, auf deutsch, mit seinen Dias durch die verschiedenen Stilrichtungen (dekorativ, romantisch) und zeigte an Fassaden, Fensterdetails, Säulen, wo und wie belgische, deutsche, finnische Bauweisen in Riga vorkamen — und schob listig immer wieder ein Bild dazwischen, das sich scheinbar nahtlos in die Rigaer Baugeschichte einpaßte, aber tatsächlich in Klagenfurt, Frankfurt oder London aufgenommen war, bewies so die ganz engen baugeschichtlichen Verwandschaften zwischen den europäischen Städten.

Eigentlich war der Besuch der Letten in Bremen schon eine Antwort, denn im Dezember hatten die Bremer Architekten „Das Bremer Haus“ in Riga als Ausstellung gezeigt.

Dias und Fotos zeigen: Wer in Riga so eine Art Ostberlin-Ambiente erwartet, hat sich getäuscht. Ein ganzes Drittel der Altstadt-Bausubstanz ist als Jugendstil-Fassade erhalten, „vielleicht mehr als in jeder anderen Stadt der Welt“, erklärte Krastins nicht ohne Stolz. das ging bei äußerst beschränkten Mitteln mit klaren Prioritäten wie Durchregnen vermeiden, Dachrinnen abdichten. Von der bisher schon geleisteten Restaurationsarbeit zeigte sich der Bremer Kammerpräsident Turk nach seinen zwei Riga-Reisen beeindruckt: „Mit viel Energie, viel Kopf und wenig Material sind hervorrragende Leistungen erbracht worden; wir können aus Riga lernen.“

Eine Augenweide: Treppenaufgänge mit facettiert geschlif

2 Männer

Janis Krastins (l.), Wilfried Turk

fenem Glas, farbige Glasblüten über Windfang-Türen, halbplastische Figuren-Reliefs an Gibeln, Stuck als Schnüren, Girlanden, Leisten, Eisenblumenn die an Treppengeländern wachsen, bestens erhaltene farbige Kachelböden, Nettigkeiten wie den kleinen hölzern-einbeinigen Tisch oder Hocker, in eine Ecke gemauert.

Jetzt, nach den dringendsten Außenarbeiten, geht es in Riga ans Eingemachte. Hinter den Fassaden liegen Etagenwohnungen, bis zu 11 Zimmer groß, und in den meisten wohnt pro Raum eine ganze Familie. Bevor da die technische Substanz erneuert werden kann, muß neuer Wohnraum geschaffen und umgezogen werden. Selbst wo das glückt (25 sanierungsbedürftige Objekte stehen bereits leer), fehlen inzwischen fast sämtliche Mittel, um mit der Arbeit zu beginnen. S.P.

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