Jugendschutz-Plan: Von der Leyen zieht Vorschlag zurück
Die Familienministerin hat ihren Plan, Jugendliche als Testkäufer gegen den illegalen Verkauf von Alkohol und Gewaltvideos einzusetzen, zurückgezogen. Doch der Lockvogel-Einsatz ist längst Praxis.
BERLIN taz/dpa Die Ideee sorgte bloß kurz für Aufregung. Jetzt zieht Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ihren Gesetzentwurf zum Einsatz jugendlicher Testkäufer gegen den illegalen Verkauf von Alkohol, Zigaretten und Gewaltvideos zurück. Zumindest vorläufig: Sie will den umstrittenen Entwurf zwar doch nicht wie angekündigt am Mittwoch ins Kabinett einbringen - ihn aber weiter diskutieren.
"Ich will jetzt nichts durchpeitschen, sondern glaube, dass uns eine Atempause hilft, über wirksame Schritte im Jugendschutz zu diskutieren", sagte von der Leyen im Interview mit der Bild-Zeitung. Aus dem Familienministerium hieß es weiter, das Thema sei nicht vom Tisch - es gehe aber darum, "nicht gegen Kinderschutzbund und Kinderhilfswerk zu arbeiten, denn das sind unsere Verbündeten".
Die Kritiker hatten sich auf ihren Gesetzesentwurf hin prompt gemeldet, und ihre Empörung war einhellig. Jugendliche dürften nicht als "Hilfspolizisten" benutzt werden, schimpfte Heide-Rose Brückner vom Deutschen Kinderhilfswerk. Das Vorhaben würdige Teenager zu Lockvögeln herab, urteilte der Kinderschutzbund. Die Idee "grenze an Kindesmissbrauch", befand SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
An einer neuen Lösung solle nun ein "runder Tisch" arbeiten. "Von dem erwarte ich aber auch, dass konkrete Vorschläge zur Verbesserung des viel zu laschen Jugendschutzes vorgelegt werden, die von allen mitgetragen werden können", sagte von der Leyen.
In der allgemeinen Entrüstung, die von der Leyen nach ihrem Vorschlag entgegenschlug, ging ein Umstand allerdings nahezu unter: Was die Ministerin einforderte, ist im Grundsatz schon jetzt möglich - wenngleich im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Laut Familienministerium setzen Jugend- und Ordnungsämter immer wieder Jugendliche als Testkäufer ein. "Aber das sind bislang Einzelfälle", sagte eine Sprecherin der taz.
Der übliche Weg sei derzeit so: Das Ordnungsamt erhält einen Hinweis, dass in einem Laden illegal Ware an Minderjährige abgegeben wird. Mit Einverständnis der Eltern wird dann ein Jugendlicher angeworben, der in das betreffende Geschäft geht, während ein Mitarbeiter der Behörde den Kaufversuch aus der Nähe überwacht. Behörden rechtfertigen die Maßnahme damit, dass sie den Minderjährigen die Produkte ja direkt nach dem Kauf wieder abnehmen können. Die Vorschriften zum Jugendschutz blieben also gewahrt.
"Im Kern soll die Prozedur auch weiter so bleiben. Wir wollen aber explizit rechtlich klarstellen, dass die Ordnungsämter und Jugendämter das dürfen. Wir wünschen uns, dass diese Möglichkeit mehr genutzt wird", sagte die Ministeriumssprecherin. Die Testkäufer sollen mindestens 14 Jahre alt sein und lediglich im Auftrag von Behörden handeln. Journalisten oder Verbraucherzentralen soll es auch künftig untersagt sein, Teenies als Spitzel einzusetzen.
So politisch unklug es von der Familienministerin also gewesen sein mag, sich mit einem derart umstrittenen Vorstoß zu Wort melden - wirklich überraschend ist das Vorhaben nicht. Spätestens seit der Debatte über Flatrate-Trinken und Komasaufen rätselt die Fachwelt darüber, wie der Staat den Gesetzen zum Jugendschutz zu mehr Wirksamkeit in der Praxis verhelfen könnte. Einen "zahnlosen Tiger" nennt nicht nur von der Leyen das Regelwerk. Ideen, wie dies nun wirklich geändert werden könnte, sind nach wie vor rar.
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