Jugendmedienschutz-Staatsvertrag: "Rückfall in die netzpolitische Steinzeit"
Das Berliner Abgeordnetenhaus hat in seiner letzten Plenarsitzung vor dem Jahreswechsel den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gebilligt. Kritik kommt von Opposition, Linkspartei und Bewegung.
BERLIN dpa | Gegen den Willen der Opposition hat das Berliner Abgeordnetenhaus den umstrittenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) gebilligt. Die Regierungsfraktionen SPD und Linke lehnten mit ihrer Mehrheit einen Dringlichkeitsantrag der Grünen ab. Diese wollten die Verabschiedung des 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrages aussetzen, bis eine Enquetekommission des Bundestages bessere Vorschläge für den Kinder- und Jugendschutz im Internet macht.
Die Kultur- und Medienexpertin der Grünen-Fraktion, Alice Ströver, bezeichnete den Vertrag als Drangsalierung der Netzgemeinde. Selbst die Berliner Jusos hätten ihn als "Rückfall in die netzpolitische Steinzeit" kritisiert und die SPD aufgefordert, ihn abzulehnen, sagte Ströver. In namentlicher Abstimmung votierten jedoch 75 der 145 anwesenden Abgeordneten für das Gesetz, 70 dagegen.
Nach der Neufassung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages sollen von 2011 an alle Anbieter ihre Websites auf jugendgefährdende Inhalte hin überprüfen und das Angebot entsprechend mit einer Altersfreigabe deklarieren oder die Inhalte nur Nutzern von einem bestimmten Alter zugänglich machen. Der neue JMStV war vom SPD-regierten Bundesland Rheinland-Pfalz erarbeitetet worden.
Noch nicht über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag abgestimmt haben: Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Eine gute Übersicht über den Stand der Ratifizierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags in den Landesparlamenten bietet //spreadsheets.google.com/pub?key=0AnrHIeb5cmJedGU4Q2hpdnU4SENHdENXd3czSHljX0E&hl=de&output=html:dieses Dokument, gepflegt von dem Bürgerrechts-Aktivisten Jörg-Olaf Schäfers. Bis zum 31.12.2010 müssen alle Länder den Staatsvertrag unterschrieben haben, wenn ein Land nicht unterschreibt, ist der Vertrag "durchgefallen".
Die Linke hat ihren Koalitionspartner SPD nicht dazu bewegen können, den Staatsvertrag abzulehnen. Die Linke hätte am liebsten dagegen gestimmt, weil sie den Jugendmedienschutzvertrag für nicht zeitgerecht und realitätsfern halte, bekannte die Medienexpertin der Linke-Fraktion, Gabriele Hiller.
Scharf kritisierte sie ebenso wie die FDP, dass die Ministerpräsidenten ihre Landesparlamente bei der Änderung der Rundfunk-Staatsverträge zu "reinen Abnickgemeinden" degradiert hätten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die SPD kuschten vor dem Diktat aus Rheinland-Pfalz. "Ich bedauere das sehr. Ich hätte mir da mehr Courage vom Regierenden Bürgermeister gewünscht", sagte die Linke-Politikerin.
Dennoch werde die Linke zustimmen, weil sie im Koalitionsvertrag mit der SPD unterschrieben habe, dass beide Partner im Parlament nicht gegeneinander stimmten. Dafür erwarte sie von der SPD die Zustimmung zum Gesetz zur Neuregelung der Jobcenter, das Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) einbringe, betonte Hiller.
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