piwik no script img

JugendgewaltMann bezieht Prügel für Zivilcourage

Ein 30-Jähriger spricht vier randalierende Jugendliche an und wird zusammengeschlagen. In den letzten Wochen gab es ähnliche Fälle von Jugendgewalt.

Für seine Zivilcourage hat ein 30-Jähriger in der Nacht zu Dienstag büßen müssen: Nach Angaben der Polizei beobachtete der Mann am S-Bahnhof Plänterwald in Treptow drei 15 und 16 Jahre alte Jungen und eine 15-Jährige, die gerade die Scheibe eines Kiosks einschlugen. Er habe sie angesprochen und sei daraufhin selbst attackiert worden, sagte ein Sprecher. Die Jugendlichen sollen den Mann gegen den Kopf und den Oberkörper getreten haben. Einer der Täter habe mit einem Metallwerkzeug auf ihn eingeschlagen. Trotz stark blutender Kopfverletzungen entkam der 30-Jährige über das Gleisbett.

Die alarmierte Polizei konnte die vier Angreifer in einem im Bahnhof wartenden Zug festnehmen. Nach Angaben des Sprechers handelt es sich um deutsche Jugendliche, die der Polizei bereits bekannt sind. Es wird nun wegen gefährlicher Körperverletzung gegen sie ermittelt.

Bereits kurz vor Weihnachten hatten zwei Migranten einen Rentner in einem Münchner U-Bahnhof brutal zusammengeschlagen. Seitdem reißt die Debatte über Jugendgewalt nicht mehr ab. Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) geriet unter Druck, weil er in einem Interview gesagt hatte, etliche deutsche Richter seien "Allesversteher und -verzeiher", denen die Psyche der Täter oft wichtiger sei als jene der Opfer von Gewalttaten.

Körting verteidigte am Dienstag erneut seine Richterschelte. In Berlin lägen die Dinge jedoch anders. Hier würden viele Heranwachsende nicht nach dem Jugendstrafrecht verurteilt.

Laut Körting stagniert die Zahl der von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Rohheitsdelikte seit 1997. Im Jahr 2007 hätten Jugendliche und 18- bis 21-Jährige 10.700 solcher Straftaten begangen. "Das ist viel zu hoch", gestand der Innensenator ein. Dennoch sei es unnötig, das Jugendstrafrecht zu verschärfen. Vielmehr setzt Körting auf mehr Prävention, angefangen bei der Befreiung von Kitagebühren über Ganztagsschulen und Deutschkurse für Migrantinnen. "Etwas schwieriger ist es mit der Begleitung nach der Schule", sagte Körting.

Allein in den vergangenen zehn Tagen gab es mehrere Fälle von Jugendgewalt, die ähnlich abliefen wie der Übergriff am Plänterwald. Nach Polizeiangaben hatten am Donnerstag zwei Männer eine Gruppe Jugendlicher angesprochen, die eine Infosäule an einer Straßenbahnhaltestelle in Marzahn zerstörten, und wurden daraufhin zusammengeschlagen. Noch brutaler gingen vier Jugendliche am S-Bahnhof Schöneweide Ende Dezember vor. Nach Polizeiangaben hatten sie Fahrgäste belästigt. Als ein 39-Jähriger einschreiten wollte, wurde er mit einem Messer in den Rücken gestochen und mit einer Flasche geschlagen.

Muss man angesichts dieser Vorfälle von mutigen Einmischungen abraten? "Zivilcourage ist wichtig. Die Polizei kann schließlich nicht überall sein", sagte Uwe Löher vom Bereich Verhaltensorientierte Prävention beim Landeskriminalamt. Allerdings dürfe man deshalb nicht sich selbst oder andere gefährden. "Im Zweifelsfall sollte man immer die Polizei rufen."

Das empfiehlt auch Wolfgang Wulf von der Opferschutzorganisation Weißer Ring. Er glaubt nicht, dass die Zahl derer, die Opfer ihrer eigenen Zivilcourage wurden, in den vergangenen Wochen tatsächlich zugenommen hat. "Wenn so etwas wie in München passiert, werden ähnliche Fälle nur stärker wahrgenommen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!