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Jugend im Vormarsch

■ Louise do Rosario in 'Far Eastern Economic Review‘

Die Studenten, die in den vergangenen Wochen den Aufstand probten, sind ein Produkt der jahrzehntelangen chinesischen Reform-Politik. Die langsamen Fortschritte der Reform haben sie in Unruhe versetzt, und die Argumente der älteren Generation, der Lebensstandard liege heute im allgemeinen höher als jemals zuvor, können sie nicht mehr beeindrucken. Seit Jahrzehnten sind sie die erste Generation, der Kontakte zur Außenwelt zugestanden wurden, und sie ziehen daraus den Schluß, daß ihnen nicht ausreicht, was sie zu Hause haben.

Die meisten sind zu jung, um sich an die Umwälzungen der Kulturrevolution zu erinnern, und ignorieren daher alle Warnungen vor den Gefahren der Instabilität. Sie haben keine politischen Säuberungen erlebt - die Kampagne gegen den „bourgeoisen Liberalismus“ von 1987 war zu kurzlebig und zu erfolglos - und daher kennen sie auch in dieser Hinsicht keine Ängste.

Der Widerstand der Studenten war für viele ein Schock. Die Studenten bringen der Partei nicht mehr dieselbe Loyalität entgegen wie ihre Eltern, die die Revolution erlebten. Ihre Sicht wird weitgehend von dem beeinflußt, was sie an den Universitäten lernen, an denen es eine starke Tradition des Liberalismus gibt.

Das einzige Druckmittel der Partei gegenüber den Studenten ist die Zuteilung eines Arbeitsplatzes nach der Abschlußprüfung - Erstsemester zeigen sich daher aktivistischer als ältere Studenten.

Nach der Kulturrevolution von 1966 bis 1976 sahen die Studenten mit größeren Hoffnungen in die Zukunft, weil die frühen Landwirtschaftsreformen erfolgreich waren und gute Arbeitsplätze leichter zu finden waren. Aber Geschichten von Korruption und Unfähigkeit haben diese Haltung verändert.

Möglicherweise wird die nächste Generation der Studenten sogar noch rebellischer sein. Die erste Generation der Kinder, die unter der Politik der Ein-Kind-Familie und der Geburtenkontrolle aufwuchsen, besucht jetzt die höheren Schulen. Viele von ihnen sind in hohem Maße individualistisch und von nachsichtigen Eltern verwöhnt. Wenn sie an die Universitäten kommen, wird das gegenwärtige Arbeitszuteilungssystem, das nur noch bis 1993 gelten soll, abgeschafft sein - womit die Partei auch des letzten wirkungsvollen Druckmittels zu ihrer Disziplinierung beraubt wäre.

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