Jüdischer Friedhof in Oldenburg: Schon wieder Hakenkreuze
Wieder wurde Oldenburgs jüdischer Friedhof mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Polizei verdächtigt einen Neonazi.
BREMEN taz | Jehuda Wältermann ist am Montag genötigt, den ganzen Tag das Selbstverständliche zu wiederholen. Journalisten melden sich bei dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg, wollen wissen, ob er schockiert, betroffen, entsetzt oder empört sei über die Schändung des jüdischen Friedhofes. Auf acht Grabsteine wurden in der Nacht zu Sonntag Hakenkreuze geschmiert, an die Friedhofshalle das Wort „Jude“ geschrieben.
„Natürlich ist man schockiert“, sagt Wältermann. „Es ist die Verherrlichung eines präzise durchgeplanten, industriellen Massenmords.“ Die Ideologie, die zur Shoah führte, werde weitergegeben und sei noch in den Köpfen. Taten wie die vom Wochenende zeigten das. „Nach 75 Jahren ist eben nicht alles vorbei, es wird niemals vorbei sein“, sagt Wältermann. Besonders schwer sei es gewesen, einer Witwe aus seiner Gemeinde sagen zu müssen, dass auch das Grab ihres Mannes betroffen ist.
Die Polizei hält einen 32-jährigen bekannten Neonazi für dringend tatverdächtig. Beamte hatten ihn am Samstagabend gestellt, nachdem Anwohner ihn bei Hakenkreuz-Schmierereien an einer Autobahnbrücke beobachtet hatten. Im gesamten Umfeld des Friedhofes im Stadtteil Osternburg waren Hakenkreuze gesprüht worden, unter anderem auf dem Gelände der nahen Helene-Lange-Schule. Auch Aufkleber des Neonazi-Netzwerks „Freies Netz“ und der NPD-Jugendorganisation „JN“ wurden im Stadtteil angebracht.
Die Schändung des jüdischen Friedhofes in Oldenburg war nicht die erste Tat dieser Art in dieser Region, in der die rechte Szene gut vernetzt ist.
Im November 2011 beschmierten fünf Vermummte den jüdischen Friedhof in Oldenburg. Als ein Polizist versuchte, sie zu stellen, griffen sie ihn mit Pfefferspray an und flohen. Die Polizei verdächtigte auch vier Mitglieder der NPD. Ein Neonazi wurde verurteilt.
Im Juni 2012 wurden in Delmenhorst 18 Grabsteine umgeworfen und mit Hakenkreuzen beschmiert. Die Polizei überführte zwei 21-jährige Neonazis.
Im August 2013 warfen Unbekannte auf dem jüdischen Friedhof in Wildeshausen zwei Grabsteine um. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund.
Einen Zusammenhang zu einem Brandanschlag auf ein Sinti und Roma-Zentrum in Oldenburg im Oktober schließt die Polizei aus. Ein 25-Jähriger hat inzwischen gestanden, die Fußmatte des Zentrum angezündet zu haben, ein politisch motivierter Tathintergrund bestehe nicht.
Anders bei der Friedhofsschändung. Erst am Sonntag hatte die Polizei davon erfahren, nachdem der Neonazi schon wieder frei gelassen worden war. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg beantragte daraufhin eine Hausdurchsuchung. Der 32-Jährige sei an seiner Meldeadresse am Sonntag nicht anzutreffen gewesen.
„Kameradschaft Oldenburg“ am Werk?
Gemeindevorsitzender Jehuda Wältermann sieht bei der Friedhofschändung eine Systematik: „Es ist fast auf den Tag genau zwei Jahre her seit der letzten Schändung.“ Ein paar Wochen nachdem mit Ulrich Eigenfeld ein NPD-Politiker in den Stadtrat gewählt wurde, hatten im November 2011 fünf Vermummte mit Farbbeuteln die Grabsteine des jüdischen Friedhofs beschmiert – auch damals genau in der Nacht vor dem Totensonntag. Verdächtigt wurden fünf Neonazis, darunter vier Mitglieder der NPD. Im November 2012 wurde ein 21-jähriger Neonazi zu einer zweijährigen Bewährungsstrafen verurteilt. Auf ihrer Website distanziert sich die NPD von den aktuellen Hakenkreuz-Schmierereien.
Die Oldenburger „Antifa Elf“ geht indes von mehr als einem Einzeltäter aus. Sie berichtet, dass in der Tatnacht eine vierköpfige Gruppe der „Kameradschaft Oldenburg“ in der Nähe des Friedhofes gesehen worden sei. Laut Antifa seien deren Mitglieder durchaus zu militanten Aktionen bereit und hielten engen Kontakt zur NPD. Am 29. September hätten Kameradschafts-Mitglieder mit an einem Infotisch der Partei in Oldenburg gestanden, neun Tage vorher habe die NPD die Kameradschafts-Mitglieder zu ihrem Stammtisch eingeladen. Die Kameradschaft bestehe aus einer Hand voll Leuten. Seit sie sich im Sommer 2013 neu gegründet habe, hätten Schmierereien in der Stadt stark zugenommen.
Mehrfach ist das linke Zentrum Alhambra mit Parolen besprüht worden. Zuletzt wurden am Wochenende des 9. Novembers im Stadtteil Osternburg Hakenkreuze gesprüht und Neonazi-Aufkleber verteilt, an das Gebäude des Bürgersenders O-Eins wurde die Parole „Medien Lügen“ gesprüht.
Gegen die Friedhofschändung und aus Solidarität mit der jüdischen Gemeinde riefen Oldenburger Bürger für Montagabend zu einer Mahnwache auf.
Leser*innenkommentare
ama.dablam
Gast
linksrum oder rechtsrum, Swastika ist in der Regel strafbar, § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB.
Schönes Beispiel dafür, dass die rechtsfeindliche Einstellung maßgeblich ist, egal ob links oder rechts :-)
Heidi Witzka
Gast
Zufällig ist die Oldenburger "Antifa Elf" vor Ort,als die "Kameradschaft Oldenburg" um den Friedhof schleicht. Hier spielen zwei Grüppchen Katz und Maus oder Hase und Igel - wie man`s nimmt.
Klarsteller
Gast
Es ist sehr dumm, andere für geistig minderbemittelt zu halten. Bei Linken weit verbreitet.
Butter bei die Fische
Gast
@Klarsteller Mit dieser Aussage haben Sie nur sich selbst überführt.
Lew Bronstein
Gast
Schein und Sein
In Wirklichkeit sind die Dinge anders, als sie in Wirklichkeit sind.
Blechstein
Gast
Ein echter Nazi, der Hakenkreuze an der Wand hängen hat oder eintätowiert trägt, wird kaum falsche Hakenkreuze
hinterlassen.
Wenn nun viele die Vermutung äußern, Nazis wäre alle dumm wie Bohnenstroh,ist die Nachricht angekoomen. Selbst einem V-Mann des Verfassungsschutzes traue ich solche "Aktionen" zu.
nihi.list
Gast
@Plebs
Nein, das Foto ist nicht spiegelverkehrt. Erkennt man an den Grabsteininschriften.
Plebs
Gast
Vielleicht sind nicht die Hakenkreuze falschrum, sondern das Foto spiegelverkehrt.
Sibylle Lewitscharoff
Gast
sind die Hakenkreuze nicht falsch herum?
Zsolt
@Sibylle Lewitscharoff Ja. Ziemlich perfide, da sie so formal möglicherweise keine verbotenen Nazisymbole sind. Aber natürlich weiß jeder, dass sie als solche gemeint sind.
Jay
Gast
Wenn die falschrum erlaubt wären würden vermutlich mehr Nazis damit rumlaufen.
Vermutlich handelt es sich schlicht und ergreifend um Unwissenheit. Macht ja auch Sinn das jemand ohne Ahnung Nazi ist.
Sven Schmidt
Gast
@Zsolt Mann könnte den Nazis aber ganz einfach auch Dummheit unterstellen, dann wären sie wieder verboten.