piwik no script img

Jüdische Gemeinde BerlinNeubeginn oder Spaltung

Oppositionelle in der Jüdischen Gemeinde wollen den Vorstand stürzen. Jetzt haben sie Unterschriften für Neuwahlen der Repräsentantenversammlung gesammelt.

Micha Guttmann will einen neuen Vorstand für die Jüdische Gemeinde Berlin. Bild: DPA

2014 könnten die Karten neu gemischt werden in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Eine oppositionelle Gruppe in der Repräsentantenversammlung, die seit längerem versucht, den amtierenden Vorsitzenden Gideon Joffe aus dem Amt zu heben, hat ein Jahr lang Unterschriften gesammelt. Damit will sie die Neuwahl der Versammlung einfordern, die dann den Vorstand wählt.

Der Konflikt in der Gemeinde schwelt seit Joffes Wahl 2012. Dem Vorsitzenden ist es seitdem nicht gelungen, für die Spannungen in der zerstrittenen Gemeinde und ihre finanziellen Schwierigkeiten Lösungen zu finden. 2013 stoppte der Senat sogar zeitweise seine Zahlungen wegen „Unklarheiten“.

Sie wollen nun alles anders machen: Die Oppositionellen um Micha Guttmann, Michael Joachim, Tuvia Schlesinger und Carola Melchert-Arlt, alle Mitglieder der Repräsentantenversammlung, gaben am Montag 1.904 Unterschriften im Büro der Jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Straße ab – etwas mehr als das notwendige Fünftel der wahlberechtigten Gemeindemitglieder und auf jeden Fall genug, um selbst schon ein Statement zur Stimmung der Gemeindemitglieder zu sein, findet Guttmann. Deren Wahlbeteiligung sei in den vergangenen Jahren nämlich kontinuierlich gesunken, auf nur noch 24 Prozent der zuletzt etwa 9.000 Wahlberechtigten. „1.276 von etwa 2.400 Stimmen entfielen damals auf Joffe“, so Guttmann. Nun hätten sich bei der Unterschriftensammlung schon mehr Mitglieder für dessen Abwahl ausgesprochen: „Das zeigt einen massiven Vertrauensverlust“, so Guttmann.

Demokratischer, transparenter und arbeitsfähiger soll die Gemeindevertretung werden, wenn es nach den Oppositionellen geht. Joffe habe Gremien wie den wichtigen Schiedsausschuss der Gemeinde aufgelöst und lasse Fachausschüsse nicht arbeiten: „Momentan ist das eine Diktatur“, sagt Guttmann. Joffes Bündnis „Koach“ bröckele, weil immer mehr frühere Unterstützer „erkennen, wohin das Schiff so steuert“, so Carola Melchert-Arlt, die einst selbst dazu gehörte und aus Kritik an Joffe als stellvertretende Gemeindevorsitzende zurücktrat.

Im Gemeindevorstand sieht man das Neuwahlbegehren offiziell gelassen. „Wir leben in einer Demokratie, in der die Opposition ihre satzungsgemäßen Rechte frei ausleben kann“, heißt es schriftlich aus der Pressestelle. Der Vorstand hat nun 60 Tage Zeit, die Unterschriften zu prüfen, dann 30 Tage, um einen Neuwahltermin bekanntzugeben, der wiederum 90 Tage Vorlauf braucht: Frühestens im Juni ist also mit Neuwahlen zu rechnen.

Vorher wollen die Joffe-Gegner das Gespräch mit dem Vorstand suchen, „um ihm die Gelegenheit zu geben, selbst Konsequenzen zu ziehen und sich aufzulösen“, so Guttmann. Dann wären schnellere Neuwahlen möglich. Sollte das alles scheitern, sei eine Spaltung der Gemeinde nicht auszuschließen, fürchtet Melchert-Arlt: „Die Lage ist so schlimm, dass die Gemeinde zu zerbrechen droht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!