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John deutscht ein

■ Junge Türken und Jugoslawen sehen sich oft als Deutsche / Das ergab eine Umfrage der Ausländerbeauftragten / Ließen die Fragen überhaupt Alternativen zu?

Barbara John, die der CDU angehörende Ausländerbeauftragte, kann aufatmen: Die Türken und Jugoslawen werden offenbar doch noch gute Deutsche. Eine Umfrage im Auftrag der Ausländerbeauftragten unter 800 türkischen und jugoslawischen Jugendlichen im Alter von 16 bis 25 Jahren hat ergeben, „daß verbreitete Ängste bei der einheimischen Bevölkerung vor Überfremdung völlig unbegründet“ seien.

Nur ein Drittel der jungen Leute bekenne sich noch ohne Vorbehalte zu den tradierten Einstellungen der Eltern. Fast alle fühlten sich in Berlin „einigermaßen“ bis „sehr“ wohl, ergab die John-Umfrage. 22 Prozent der türkischen und 47 Prozent der jugoslawischen Jugendlichen wollen sogar für immer in Deutschland bleiben, davon 40 Prozent, weil sie sich „als Deutsche fühlen“. 43 Prozent der türkischen und 32 der jugoslawischen Jugendlichen seien sogar bereit, so die Umfrage, den Wehrdienst in Deutschland zu leisten.

Und dann das Jubelergebnis: 61 Prozent der türkischen und sogar 72 Prozent der jugoslawischen Jugendlichen würden gern die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Die Einschränkung jedoch ist, daß sie ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft behalten können. „Hier muß der Gesetzgeber aufhorchen“, sagt Frau John. Ein neues „modernes Einbürgerungsgesetz“, das die doppelte Staatsangehörigkeit zuläßt, müsse her, denn nach derzeitig geltendem Recht sollen doppelte Staatsbürgerschaften vermieden werden.

Vorprogrammiertes Ergebnis?

Sind diese Angaben nun tatsächlich das unverhoffte Ergebnis einer absichtlosen Umfrage, oder nicht eher das vorgestellte Bild, das durch entsprechende Fragen programmiert werden sollte? Keine einzige Frage schlüsselt jedenfalls auf, warum trotz der 61 Prozent türkischer Einbürgerungsbereiter aber noch immer 78 Prozent irgendwann einmal ins Heimatland zurückwollen bzw. sich noch nicht entschieden haben? Der Wunsch nach doppelter Staatsbürgerschaft zeigt ja, daß die jungen Leute sich trotz allem zu ihrer Herkunft bekennen. Nirgends in der Umfrage taucht ein Interesse dafür auf, was türkische Jugendliche von ihrer Herkunftskultur beibehalten wollen. Nur ein Drittel - wie John betont - bekenne sich ohne Vorbehalte zu den Einstellungen der Eltern. Die knappe Hälfte unterscheide sich allerdings nur „etwas“ in ihren Einstellungen. Worin stimmt diese Hälfte mit den Eltern überein.

Unerläutert bleibt auch, warum einerseits 54 Prozent der türkischen Jugendlichen ein Angestellten-Verhältnis ablehnen und sich in diesem Land selbständig machen, andererseits aber gerade von dieser Gruppe mehr als die Hälfte einen „engen Heimatverbund“ aufweist. Die Fragen sind jedenfalls alle auf einen eindimensionalen Trend hin zugeschnitzt. An der widersprüchlichen Realität, in der die Jugendlichen leben, wird nicht angeknüpft. Wieder einmal schimmert durch, daß „Integration“ auf Deutsch Verdeutschung heißt.

E.K.

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