piwik no script img

Jörn Kabisch AngezapftTrendgetränke im Quadrat

Foto: privat

Kaffee mit Bier, das rat ich dir! Den Spruch kennt niemand, ich habe ihn mir gerade ausgedacht. Aber in ihm steckt mehr Wahrheit als in seinem Vorbild „Wein auf Bier, das rat ich dir“. Denn dem Kater am Morgen ist es ziemlich egal, wie der Alkohol angemischt wurde, von dem er sich ernährt.

Bier und Kaffee haben einiges gemeinsam. Beide wurden von älteren Gourmets lange links liegen gelassen, Bier wie Kaffee, vor allem der gefilterte, galten vielen einfach nur als Plörre. Und so waren, als sich vor gut einem Jahrzehnt eine neue Generation daranmachte, Genuss und Gourmandise neu zu entdecken, beide Getränke relativ weiße Flecken auf der kulinarischen Landkarte – kulturell unbelastet und mit der Möglichkeit, Wissen und Sprache selbst zu schaffen. Oft wird, wo heute gutes Craftbeer ausgeschenkt wird, auch eine neue Kaffeekultur gepflegt, für die sich der Name „Third Wave Coffee“ eingebürgert hat. Sie ist die Post-Starbucks-Bewegung.

Aber beides zusammen in einem Glas? Hierzulande denkt man bei Malz und Kaffee noch am ehesten an ein Aufgussgetränk aus gerösteter Gerste, Stichwort Caro. Wo das deutsche Reinheitsgebot unbekannt ist, werden beide Zutaten schon längst im Gärbottich vereint. Coffee Stout oder Coffee Ale steht später auf den Flaschen, aber ein nur irgendwie einheitliches Geschmacksbild existiert nicht.

Das liegt am Verfahren: Kommt der Kaffee als Pulver, als Bohne, grün oder geröstet oder einfach als Aufguss ins Bier? Die Möglichkeiten sind schier unendlich. Noch wichtiger ist aber, welches Spezifikum der Brauer vom Kaffee übernehmen will: Röstaromen? Fruchtige Säuren? Oder ist es ein bestimmtes Mundgefühl, etwa eine bestimmte Cremigkeit bei Milk Coffee Stouts?

Als Entstehungsort für einen deutschen Kaffee-Bier-Hybrid wäre Berlin, Hotspot der neuen Foodie-Szene, eigentlich prädestiniert. Doch tatsächlich liegt er im Berliner Umland: Das Brauhaus Barnim in Hohenfinow wird seit 2017 von einem Ehepaar betrieben, beide sind klassische Sänger, die Liebe zum Bier haben sie bei Auslandsengagements entdeckt. Sie sind alles andere als metropolitane Träger von Oversize-Mützen oder -Bärten. Und doch ist ihr Coffee Ale eine Verbeugung vor der urbanen Kaffeekultur.

Coffee Ale, Barnimer Brauhaus, 5,6% vol.

Was aus der Flasche kommt, ist nicht schwarz wie Kaffee, sondern von einem trüben Bernstein. Es riecht undefinierbar exotisch, ich finde erst Worte, als ich das Bier auf der Zunge habe. Blau schmeckt das, so wie manchmal nur Kaffee: bitter, fruchtig, leicht metallisch und stark an Piment erinnernd. Es ist genau der Eindruck, den man vom Biss auf eine Kaffeebohne hat, und der ist angenehm in ein schlankes, mildfruchtiges Ale mit unaufdringlicher Perlage gebettet. Ich sag mal: Nices Ding.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen