Jörn Kabisch Angezapft: Ein Arbeiterbier, leicht interpretiert
Das Export gehört zur Arbeiterkultur wie Taubenzucht und Sparverein. Na ja, besser: gehörte. Seine beste Zeiten hatte es in den 1960er Jahren. Damals wurde in Dortmund fast jeder zehnte Liter Bier der BRD gebraut: Export natürlich, das nicht nur das Getränk des Ruhrgebiets war, sondern im ganzen Land populär. Und es ging auch ins Ausland, sonst wäre der Name sinnlos für das Bier, das für die Haltbarkeit eine Extraportion Alkohol bekam und zu Kaisers Zeiten bis nach Japan und in die USA verschifft wurde.
Niemand hätte damals gedacht, dass es mit dem Bierstil so bald vorbei sein würde. Das mildere Pils entsprach in den 70ern stärker dem Zeitgeist. Privatbrauereien aus dem Siegerland und dem Sauerland warben schon damals mit ihrem reinen Wasser und unverbrauchter Natur. Dem hatten die Ruhrgebietsbrauereien nicht viel entgegenzusetzen. Sie wurden weggefegt, und mit ihnen das Arbeiterbier.
Nur in Ostdeutschland konnte sich der Bierstil halten, das Sternburg Export, kurz „Sterni“, ist dort bis heute Kult. Im Westen stammt das inzwischen verbreitetste Export aus der Münchner Brauerei Augustiner und ist besser bekannt als „Edelstoff“.
Ebenfalls in Bayern sitzt mit Wolfscraft eine Brauerei, die dem Export nun wieder zu mehr Geltung verhelfen will. Als Cemal Cattaneo und Manfred Jus vor einigen Jahren darüber nachdachten, es mit Bier zu versuchen, wollten sie vor allem eines nicht: amerikanische oder angelsächsische Stile nachbrauen. Dafür war ihnen das hiesige Brauerbe zu wertvoll.
Seit 2017 arbeitet Wolfscraft daran, deutsche Biere wieder cool zu machen. Helles, Pils und ein Lager sind im Sortiment, alle recht zischend-fruchtige Exemplare ihrer Gattung, die beweisen: auch vermeintlich altertümliche Bierstile lassen sich zeitgemäß interpretieren. Noch dazu hat sich Wolfscraft für Biobier entschieden. Gebraut wird in der Chiemgauer Brauerei Stein, die Braugerste kommt aus der nahen Umgebung.
The Export, Wolfscraft, 5,6 % vol.
Typischerweise ist das Export ein robustes Bier, das auf einem würzig-mineralischen Malzkörper aufbaut. Etwas leicht Phenolisches darf man schmecken, es erinnert an das noch stärker eingebraute Bockbier. So ist das auch mit dem The Export von Wolfscraft, das strohgelb und naturtrüb ins Glas fließt. Die Brauer haben sich aber für ein paar zeitgemäßere Zusätze entschieden: eine recht lebendige Kohlensäure und eine mäßige Kalthopfung, die das Bittere in den Zitrusbereich zieht.
Das ergibt Eindrücke von Biskuit und Earl Grey und lässt das Bier viel leichter wirken als es ist. Man wünscht sich mehr Craftbrauer, die sich diesem Bierstil wieder widmen.
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