Jörn Kabisch Angezapft: Ein Bier aus dem Land der Weine
Was, ein gutes Bier aus Frankreich? Dem Land, in dem man – so das Klischee – nach der Muttermilch gleich auf Wein umgestellt wird? Völlig unmöglich, habe ich auch lange gedacht. Die Brasserie, der französische Begriff für Brauerei, existiert hier nur noch als Bezeichnung für ein einfaches Restaurant. Und wenn ich nach einer französischen Bierspezialität gefragt wurde, erzähle ich als erstes von Picon Bière: ein mit Bier verlängerter Orangenbitter. Es ist ein klassischer Aperitif überall dort, wo kein Pastis getrunken wird, aber fast ebenso gewöhnungsbedürftig.
Doch auch in Frankreich hat sich in den letzten Jahren eine Bierszene entwickelt. Waren es 2010 noch etwa 300 Brauereien, sind es heute schon 1.600. Die meisten arbeiten im Mikrobereich, vertreiben ihr Bier im engsten Umkreis und besetzen die regionale Nische vor allem dort, wo es keinen unmittelbar ansässigen Weinbau gibt. Statt Craft Beer spricht man in Frankreich lieber von bière artisanal. Auch weil die Biere – oft an belgischen Vorbildern orientiert – süß, schwer und ganz unenglisch sind.
Ich mag den regionalen Ansatz. Dazu gehört, sich lokaler Zutaten zu besinnen. In Frankreich sind das beispielsweise Kastanien, vor allem dort, wo sie den Speisezettel über die gerösteten Maroni hinaus bestimmen – beispielsweise in der Ardèche, im Limousin oder auf Korsika. Hier waren Kastanien lange die eigentlichen Sattmacher wie anderswo Kartoffeln oder Nudeln.
Nun darf man sich von Kastanienbier keinen außergewöhnlich anderen Geschmack erwarten. Die Nuss schmeckt ja gekocht eher unspektakulär süßlich-mehlig. Geröstet ist der Effekt größer. Dann taucht „Vanille“ bei der Beschreibung im Geschmacksprofil auf.
Vanille lässt sich auch beim Mistica schmecken, einem Kastanienbier der noch sehr jungen korsischen Biobrauerei Ribella. Dazu ein sehr dezentes, aber angenehmes Raucharoma, das mich an Röstkastanie erinnert. Das fast schwarze, rötlich schimmernde Bier ist dem Wesen nach ein Porter, wegen seines Alkoholgehalts, aber auch wegen seines Geschmacks, der sich von sehr süß nach sehr bitter entwickelt. Anfangs sind darin auch noch fruchtige Kirschtöne zu finden, der herbe Abgang hat schokoladig-nussige Anklänge. Sehr interessant: Die Cremigkeit verbirgt eine lebendige Kohlensäure, die kurz vor dem Abgang an den Gaumen brandet.
Mistica, Ribella, 7 % Vol.
Auch zum Essen passt das Bier, Porter sind da normalerweise eine Herausforderung. In meinem Fall ergänzte das Mistica eine geschmorte Wildschweinkeule exzellent – natürlich mit Maroni serviert.
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