Jörn Kabisch Angezapft:
Das Besondere an diesem Bier ist sein Malz. Es stammt von einer alten Sorte, die dem Produkt auch seinen Namen gibt: Imperial Gerste.
Imperial klingt ja nach etwas sehr Majestätischem. Als die Pflanzenzüchter Ende des 19. Jahrhunderts nicht länger nur mit ihrer Erfahrung arbeiteten, sondern sich der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Vererbungslehre zu bedienen begannen, wurde das vorgesetzte „Imperial“ für besonders hoch wachsende Pflanzen verwendet. So eine ist auch „Dr. Francks grannenabwerfende Imperialgerste“, die gegen 1910 in Schwäbisch Hall gezüchtet wurde. Die Pflanzenanstalt besteht noch heute.
Wie der Name schon sagt, werfen die Ähren bei der Reife die Grannen (das sind diese Borsten am Getreide) ab – was ein Vorteil für den Bauern ist, aber auch für Vögel, die nun leichter an das Korn kommen. Zu ihrer Zeit war die Imperialgerste wegen ihrer geschmacklichen Feinheit sehr als Rohstoff für Bier und Whisky gefragt.
Ihre Züchtung wurde aber nicht weiter verfolgt. Sie begnügt sich mit schwachen Böden, verträgt aber keinen Kunstdünger – entsprechend gering sind auch die Erträge. Erst seit rund einem Jahrzehnt, mit dem neuen Interesse für die „alten Sorten“, bauen Landwirte das Getreide wieder an. Die Tiroler Gemeinde Fiss ist stolz auf ihre Fisser Gerste, in Deutschland brauen mit dem Imperialmalz zwei Brauereien, beide machen Bio-Bier: Pinkus Müller in Münster und die Brauerei Enzensteiner in Schnaittach bei Nürnberg, deren Kreation hier vorgestellt wird.
Interessant ist nun, wie die alte Gerste das Geschmacksbild des Bieres prägt. Ganz eindeutig ist das nicht festzustellen. Das Vetus Specialis Imperial Gerste passt am ehesten in die Kategorie „Helles“, fließt aber wie ein Pils ins Glas. Das Bier ist naturtrüb und hat einen leichten Orangestich, der Schaum bildet solch feste Konturen, dass sich daraus eine regelrechte Pilsblume gießen ließe.
Der Geruch des Bieres ist etwas hefig, leichte Säure und Nelke dringen in die Nase. Im Mund stellt sich das Bier als ein sehr filigranes Gebilde vor. Der erste Eindruck ist kräuterig, Gras und florale Noten erscheinen – auch das ist eine Eigenheit gegenüber gängigen hellen Bieren.
Das Imperial Gerste schmeckt, typisch für Franken, eher trocken denn herb, ist durchaus süffig. Der Abgang ist mild, dafür aber länger anhaltend. Ein blumiges Bier und ein absolut überdurchschnittliches Helles.
Vetus Specialis Imperial Gerste, Brauerei Enzensteiner, Alkohol 5,5 Vol.-%
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