Joe Biden wird Vizepräsidentschaftskandidat: Der Mann an Obamas Seite
Der demokratische Hoffnungsträger geht auf Nummer sicher: Senator Biden wird sein "running mate". Der 65-jährige soll die außenpolitische Unerfahrenheit Obamas auswetzen.
DENVER taz Joe Biden heisst der Mann, der seit Samstag an Barack Obamas Seite ums Weisse Haus kämpft. Die Nachricht von Obamas Entscheidung kam in der Nacht zum Samstag ganz im Stil der IT-verliebten Generation, die Obama so gerne repräsentiert: Nicht als Pressemitteilung, sondern per SMS an die Unterstützer.
Auf ihrem viertägigen Parteitag in Denver, Colorado, stellen die US-Demokraten von heute, Montag, an ihren Kandidaten Barack Obama und ihre politischen Pläne vor. Im Laufe des Konvents sollen mehrere Dutzend Politiker, Bürger und Vertreter von Gewerkschaften und andere Organisationen das Wort ergreifen. Die Sitzungen sind täglich von 15.00 Uhr (Ortszeit, 23.00 Uhr MESZ) bis 21.00 Uhr (Ortszeit, 05.00 Uhr MESZ) anberaumt. Es folgt ein Überblick über Themen und Redner:
Montag, 25. August: Im Mittelpunkt des Programms stehen der Kandidat Barack Obama und seine Lebensgeschichte. Hauptrednerin des Abends ist Obamas Ehefrau Michelle. Unter den weiteren Rednern sind Expräsident Jimmy Carter, Exkandidat John Kerry, Parlamentschefin Nancy Pelosi, Obamas Schwester Maya Soetoro-Ng und sein Schwager Craig Robinson.
Dienstag, 26. August: Dieser Tag ist Obamas innenpolitischem Programm gewidmet. Ein besonderer Schwerpunkt soll die Wirtschaftspolitik sein. Als Hauptredner vorgesehen sind Senatorin Hillary Clinton und Senatskandidat Mark Warner. Unter den weiteren Rednern sind mehrere demokratische Gouverneure aus US-Bundesstaaten sowie Gewerkschaftsvertreter.
Mittwoch, 27. August: Zentrales Thema des dritten Sitzungstages ist die Außen- und Sicherheitspolitik. Außerdem sollen die Delegierten Obama offiziell zum Kandidaten bestimmen. Hauptredner des Abends wird der Kandidat für die Vizepräsidentschaft sein. Ebenfalls das Wort ergreifen werden der ehemalige Präsident Bill Clinton, Senatschef Harry Reid, Gouverneur Bill Richardson und andere.
Donnerstag, 28. August: Der Abschlusstag des Parteikonvents ist ganz auf Barack Obama zugeschnitten, der sich nun zum ersten Mal an die Delegierten wenden soll. In einem Bruch mit bisherigen Gepflogenheiten hält er seine mit Spannung erwartete Rede nicht in der Versammlungshalle. Der ganze Parteitag zieht in das Invesco-Sportstadion um, wo Obama vor 75.000 Menschen reden soll.
Obamas Suche nach einem Vizepräsidentschaftskandidaten hatte seit Wochen die Gemüter erhitzt. Zwar hat der US-amerikanische Vize laut Verfassung keine Macht, es sei denn im Ernstfall, in dem er den amtierenden Präsidenten vertritt oder, im Todesfall, wenn er ihm nachfolgt. Dennoch gilt die Nominierung des Vize im US-Präsidentschaftswahlkampf als symbolisch aufgeladener Akt. Der soll die Eigenschaften des Kandidaten charakterlich “abrunden” und vermeintliche Schwächen des ersten Mannes ausgleichen.
Im Fall des neuen Duos Obama-Biden liegt dies auf der Hand: Der 47-jährige Obama, der sich seit Beginn seiner Bewerbung ums höchste Amt gegen Vorwürfe wehren muß, zu unerfahren zu sein, hat sich mit dem 65-jährigen demokratischen Senator Biden einen erfahrenen Washingtoner Strippenzieher ins Boot geholt. Biden, erstmals 1972 in den Kongress gewählt und gegenwärtig Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im US-Senat, gilt zudem als erfahrener Außenpolitiker. Spekulationen darüber, Biden werde Obamas “running mate”, nahmen konkrete Gestalt an, als Biden vergangene Woche kurzfristig ins Krisengebiet Georgien gereist war, um für Schlichtung zu sorgen.
Reaktionen aus Parteikreisen und dem demokratischen Establishment sind entsprechend entzückt. Man sei “beruhigt” heisst es von prominenten Demokraten. Allen voran Obamas innerparteiliche Konkurrentin Hillary Clinton, die ihrem Gegner großzügig Lob aussprach für seine gelungene Entscheidung, bis hin zu Senator Chuck Hagel, der als republikanischer Senator im außenpolitischen Beraterteam Obamas eine prominente Rolle spielen soll. Im Hinblick auf die anstehende offizielle Nominierung Obamas durch den ab Montag tagenden Parteitag der Demokraten in Denver habe Obama, der erste schwarze Präsidentschaftskandidat in der Geschichte des Landes, gezeigt, dass er auf Nr. Sicher und auf “Sieg” setze, war am Wochenende immer wieder zu hören.
Nur eine Stunde benötigte unterdessen das Team um Obamas republikanischen Herausforderer John McCain für seine Reaktion. Kurz nach Aussenden der Obama-SMS lieferten Mitarbeiter des Konservativen um 3 Uhr morgens eine Videokassette an alle US-Nachrichtensender aus. Darauf zu sehen war ein neuer TV-Spot mit Zusammenschnitten von bissigen Kommentaren Joe Bidens über Barack Obama. Biden, bekannt für scharfe Verbalattacken und daraus entstehende gelegentliche Fettnäpfchen, hatte Obama darin Unerfahrenheit vorgeworfen. “Das Weisse Haus ist kein Ort für on-the-job-Training”, hatte Biden Obama noch im Januar um die Ohren gehauen. Damals waren beide noch zwei Bewerber unter zehn, die sich um die demokratische Präsidentschaftsnominierung rangelten. Biden war kurz darauf, ziemlich erfolglos, aus dem Rennen ausgestiegen.
Trotz der zurückliegenden Wortgefechte soll Obama den auch bei politischen Gegnern geschätzten Biden dann am Donnerstag angerufen haben. Biden saß gerade auf dem Zahnarztstuhl, als Obama ihm die Vizekandidatur antrug. Bis zum Schluß hatten insbesondere Demokratinnen noch darauf gehofft, dass es doch Hillary Clinton werden könnte. Oder wenigstens eine der anderen demokratischen Vorzeigefrauen, wie etwa die Gouverneurin des US-Bundesstaates Missouri, Claire McCaskill oder die von Kansas, Katherine Sebelius.
Bereits am Samstag trat das neue demokratische Dream-Team zum ersten Mal gemeinsam auf. In Springfield, in seinem politischen Heimatstaat Illinois, präsentierte Obama seinen Vize vor 35.000 Fähnchen schwenkenden Fans. Recht entspannt bewunderten beide Männer dort gegenseitig ihre “amerikanischen Lebenswege” und ihren gesellschaftlichen Aufstieg. Biden nutzte die Gelegenheit, um gleich einige charmant verpackte Seitenhiebe gegen “meinen Freund” John McCain auszuteilen. So kritisierte er bedauernd dessen “opportunistischen Kotau vor der rechtskonservativen republikanischen Basis”.
Obama schien sehr zufrieden mit dem sympathischen Wadenbeißer an seiner Seite. Zum Schluß zeigten sich beide Männer mit ihren strahlenden Ehefrauen auf der Bühne und zum rituellen Händeschütteln. Über Biden sagte Obama, er sei das, was “andere nur vorgeben zu sein: Ein Staatsmann mit gutem Urteilsvermögen, der sich nicht hinter Wortgetöse zu verstecken braucht, um Amerika stark zu halten”.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!