■ Das Portrait: Jochen Piest
Er war auf dem Weg zu tschetschenischen Widerstandskämpfern in den Bergen bei Grosny. Doch dort sollte er nie ankommen. Am Dienstag mittag wurde der 30jährige Jochen Piest, Moskauer Korrespondent des Stern, erschossen. In seinen letzten Reportagen für den Stern beschwor Piest das Bild des „wilden, legendären Kaukasus-Kämpfers“, gegen den selbst die russischen Zaren wenig auszurichten wußten und der den Russen von den Bergen bei Grosny herab „einen blutigen Guerilla-Krieg“ liefern könnte. „In Tschetschenien gehört Schießen zum Alltag wie Essen und Trinken“, schreibt er im Dezember. Nun fiel der Reporter diesem „legendären Kämpfertum“ selbst zum Opfer. Er wurde von einem tschetschenischen Partisanen während einer Kamikaze- Aktion getötet.
Piest starb etwa 60 Kilometer von der tschetschenischen Hauptstadt entfernt in dem Ort Tscherwjlonnaja. Zusammen mit den beiden russischen Fotografen Nikolai Ignatiev und Wladimir Sorokin hatte Piest dort eine russische Spezialeinheit beobachtet, die eine Eisenbahnbrücke von Minen säuberte. Die Reporter befanden sich auf dem Rückweg von der Brücke, als eine Diesellok, gelenkt von einem tschetschenischen Partisanen, mit hoher Geschwindigkeit auf den Bahnhof zuraste. Deutscher Journalist, der Opfer des Kriegs in Tschetschenien wurdeFoto: „Stern“
Der Freischärler feuerte aus einer Maschinenpistole, Piest wurde von drei Kugeln tödlich getroffen. Der 36jährige Fotograf Sorokin erlitt einen Beindurchschuß. Der tschetschenische Kamikaze- Schütze kam beim Aufprall der Lok auf einen stehenden Militärzug ums Leben.
Nach Angaben des Stern waren Piest und die beiden Fotografen am Samstag von Moskau nach Mineralne Wodi in Südrußland geflogen, um von dort aus das tschetschenische Bergland zu erreichen. Ihr Auftrag: eine Reportage über die Vorbereitungen der Tschetschenen zum Partisanenkrieg. Bereits im Dezember hätten sie Kontakte zu Widerstandskämpfern geknüpft. Jochen Piest war seit dem 1. März 1994 Korrespondent im Moskauer Stern-Büro. Rußland kannte er von einem längeren Studienaufenthalt. Piest hatte Slawistik, Politik und Geschichte in Bonn, Berlin und Moskau studiert.
Nach der amerikanischen Fotografin Cynthia Elbaum und dem russischen Militärkorrespondenten Wladimir Schitarenko ist Jochen Piest der dritte Journalist, der in Tschetschenien ums Leben kam. Karin Flothmann
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