„Jobturbo“ für Geflüchtete: Nicht nur Burger braten
Geflüchtete sollen auch mit wenig Deutschkenntnissen arbeiten. Arbeitsminister Hubertus Heil lädt dazu am Montag zu einem Gipfel.
So könnte es laufen: Die gelernte Apothekerin aus der Ukraine ist nach Deutschland geflüchtet und spricht nach einem ersten Sprachkurs nur ein bisschen Deutsch. Sie kann erst mal nur als Helferin in einer Apotheke arbeiten, betreut den nichtpharmazeutischen Bereich und verbessert ihr Deutsch im Kontakt mit den Kolleg:innen und in einem weiteren berufsbezogenen Sprachkurs.
„Wenn die Menschen in Arbeit sind, wird die deutsche Sprache ‚on the job‘ sehr viel schneller gelernt, als wenn sie einen Integrationskurs nach dem anderen machen würden“, sagt Daniel Terzenbach, von dem das Beispiel stammt, im Gespräch mit der taz. Terzenbach ist der neue „Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Integration von Geflüchteten“ und Vorstandsmitglied bei der Bundesagentur für Arbeit.
Terzenbachs Aufgabe besteht darin, den von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigten „Jobturbo“ für Geflüchtete im Bürgergeldbezug in Gang zu setzen – und dabei Arbeitgeber, Weiterbildungsträger, Kommunen und Migrantenorganisationen an einen Tisch zu bringen. Am kommenden Montag ist dazu ein „Arbeitsmarktgipfel“ in Berlin geplant. Nach Äußerungen von Heil sollen 400.000 Geflüchtete im Bezug von Bürgergeld, darunter etwa die Hälfte Ukrainer:innen, schon nach einem ersten Integrationskurs, der zum Beispiel mit einem einfachen sprachlichen Level von B 1 endet, möglichst schnell in Arbeit kommen.
Der politische Druck auf die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten steigt, seitdem sich die Debatte um Migration verschärft hat. Zumal die Beschäftigungsquoten von geflüchteten Ukrainer:innen laut Bundesagentur für Arbeit nur bei rund 19 Prozent liegen. Unter den Geflüchteten seit 2015 aus den acht wichtigsten Herkunftsländern sind nach Erhebungen des Nürnberger IAB-Instituts nach sechs Jahren 54 Prozent in Arbeit.
Im Job Deutsch lernen
Für die Integration der Geflüchteten sucht Terzenbach „neue Wege“, wie er sagt. „Es macht mehr Sinn, Arbeitsaufnahme, Spracherwerb und Qualifikation parallel zu verfolgen und nicht nacheinander, weil sich erwiesen hat, dass man die Sprache am besten bei der Arbeit lernt“, so der Sonderbeauftragte. „Wir brauchen Arbeitgeber, die Menschen erst mal als Helfer einstellen, die eben noch nicht so gut Deutsch können, und ihnen dann Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen, auch entsprechend ihrer Qualifikation.“
In der Praxis bedeutet dies, dass etwa gelernte Krankenschwestern aus der Ukraine erst mal als Hilfspfleger:innen arbeiten, ausgebildete Lehrer:innen nur als Betreuer:innen an Schulen tätig sind.
Viele Ukrainer:innen haben eine Ausbildung in einem Dienstleistungsberuf. „Wenn Menschen im Heimatland im Einzelhandel gearbeitet haben als Kassierer oder als Kundenberaterin, dann können sie als Helferin beginnen und Tätigkeiten übernehmen, die nicht so kundenintensiv sind, etwa im Lager und beim Auffüllen von Regalen im Verkaufsraum“, sagt Terzenbach, „damit lernt man weiter Deutsch und kann sich so Stück für Stück in den kundennahen Bereich einarbeiten und sich der eigenen Qualifikation nähern.“
Das Entscheidende ist die Aufstiegsmöglichkeit: Es sei wichtig, „dass man nicht hängen bleibt in einer Helfertätigkeit, sondern Entwicklungsmöglichkeiten hat und wenn nötig dafür entsprechende Unterstützung bekommt“, so der Sonderbeauftragte, „wir brauchen jede Fachkraft in Deutschland“. Unterstützungen sind etwa berufsbegleitende Qualifizierungen, Sprachkurse und Eingliederungszuschüsse für die Arbeitgeber vom Jobcenter.
Geflüchtete wollen arbeiten
Nach dem Jahr 2015 fanden viele Geflüchtete Arbeit zum Beispiel in Versandzentren und in der Systemgastronomie. Bei Amazon im Lager muss man nicht unbedingt gut Deutsch sprechen können. Und bei McDonalds gab es schon genügend arabischsprechendes Personal, um neue Helfer einzuarbeiten. Diese Jobs können aber zu einer Sackgasse werden.
Bei der Vorstellung des neuen „Jobturbo“ für Geflüchtete kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil an, arbeitslose Geflüchtete sollten künftig vom Jobcenter alle sechs Wochen vorgeladen werden, es gebe „Mitwirkungspflichten“, und „Angebote müssen angenommen werden“.
Dieser verschärfte politische Ton irritiert manche. „Die Frauen wollen arbeiten“, sagt etwa Natalia Craciun, Seminarleiterin beim beruflichen Fortbildungszentrum der bayerischen Wirtschaft (bfz) in München. Sie kennt viele Ukrainer:innen aus den Sprachkursen und von ihrer ehrenamtlichen Arbeit bei der Tafel und hat selbst Verwandtschaft in der Ukraine. „Viele Frauen wollen sich integrieren, die wollen, dass sie und ihre Kinder eine Zukunft haben in Deutschland, sie wissen, dass sie nicht auf Dauer vom Jobcenter leben können. Aber es fehlt an Kinderbetreuungsplätzen, die Frauen warten und warten auf einen Kitaplatz, viele leben in Heimen, manche sogar in Notunterkünften“, erzählt Craciun.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Die Behauptung, das angeblich zu hohe Bürgergeld verleite Geflüchtete zum Nichtstun, wird durch Studien jedenfalls nicht bestätigt. Laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung sind die Beschäftigungsquoten der Ukrainier:innen in den Niederlanden zum Beispiel sehr viel höher, bei annähernd gleich hoher Sozialleistung. Und in Österreich sind die Beschäftigungsquoten so niedrig wie in Deutschland, bei deutlich geringerer Sozialleistung. Die Zusammenhänge sind also komplizierter. In einem Arbeitsmarkt, zu dem immer mehr Menschen ohne „deutsche Abschlüsse“ einen Beitrag leisten, müsse man umdenken, sagt Terzenbach. „Wir sind in Deutschland überverliebt in Zertifikate“. Dabei sollte das Lernen während der Arbeit wichtiger werden, auch um anschlussfähiger zu werden an einen immer globalisierteren Arbeitsmarkt.
In den Fokus geraten dabei auch sogenannte Teilqualifizierungen, das sind mehrmonatige Kurse für spezielle Fachkenntnisse etwa in Computer-Lagerhaltung, Maschinenführung oder Pflegeassistenz. Teilqualifizierungen seien „ein sicherlich sinnvoller Ansatz“, sagt Terzenbach. Ohne mehr Flexibilität wird es jedenfalls nicht gehen.
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