Jobcenter 2: Die Angst vor Repressalien bleibt

Die Initiative "Keine/r muss allein zum Amt" zieht eine gemischte Bilanz ihrer Arbeit.

Jobcenter: Wartende im Halbschatten Bild: AP

"Hallo, ich habe einen Termin beim Jobcenter. Wer kann mich begleiten?" E-Mails mit solchen Anfragen erhält Maja Binder mehrmals in der Woche. Die erwerbslose Wissenschaftlerin ist Mitbegründerin des Berliner Erwerbslosenforums und der Initiative "Keine/r muss allein zum Amt". Mittlerweile gibt es einen Pool von 20 Personen, die seit Frühjahr 2009 Erwerbslose bei ihren Terminen in das Jobcenter begleiten. Dabei berufen sie sich auf das Sozialgesetzbuch X. Dort heißt es im Paragraf 13: "Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen."

"Wir haben uns überlegt, wie wir die Repressionsmaschinerie Hartz IV ausbremsen können und uns für das solidarische Begleiten als Form gegenseitiger Unterstützung entschieden", so Binder. Sie zieht eine positive Bilanz. "Es hat sich herumgesprochen, dass man nicht ohne Begleitung zum Amt gehen soll."

Petra. W, die ihren vollen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, hat an einem Infostand vor dem Jobcenter Moabit von der Begleitinitiative erfahren und das Angebot sofort angenommen. "Der Ton mit meiner Fallmanagerin war viel entspannter als sonst", schrieb sie auf einen Zettel, die am Infostand aufgehängt waren. Dort konnten Erwerbslose ihre Erfahrungen mit dem Amt mitteilen.

Fünfmal hat die Begleitinitiative in den letzten Monaten vor verschiedenen Berliner Jobcentern einen "Zahltag light" durchgeführt. Solche Aktionen werden in anderen Städten seit Herbst 2007 in unregelmäßigen Abständen zum Monatsanfang organisiert. Dann sind die Erwerbslosen besonders sauer, wenn Anträge nicht bewilligt wurden und zu wenig Geld auf dem Konto ist. In Berlin wurden Infostände vor dem Jobcenter aufgebaut.

Jens Schreiber vor der Gruppe fels, die in der Initiative mitarbeitet, wünscht sich, dass die Aktionen von draußen in das Foyer der Jobcenter verlegt werden. "Dann können wir auch Sand ins Getriebe des bürokratischen Alltags streuen." Binder warnt allerdings davor, von außen Konflikte in die Jobcenter zu tragen. Auch sei die Angst vieler Betroffener vor Repressalien groß, weiß die Begleiterin. "Selbst viele Anti-Hartz-Aktivsten wollten sich nicht an Begleitaktionen beteiligen, weil sie Repressalien durch ihr Jobcenter befürchten."

Wie weit kann ich gehen und was riskiere ich? Das ist eine häufige Frage auf dem monatlichen Arbeitsfrühstück, auf dem die Begleitaktionen ausgewertet werden. Dort wird auch über Schwachpunkte der Initiative gesprochen. So bedauert Jens Schreiber, dass es bisher kaum gelungen sei, Erwerbslose, die begleitet wurden, zur Mitarbeit zu gewinnen.

Doch immerhin: Der Zuspruch zu der Begleitinitiative wächst. Bei der letzten Zahltag-Aktion vor dem Jobcenter Marzahn hat sogar der zuständige Polizeibeamte einen ausliegenden Aufruf für ein Sanktionsmoratorium bei Hartz-IV-Empfängern unterschrieben. Schließlich musste seine Frau auch schon ALG II beziehen. PETER NOWAK

Wer Begleitung sucht oder anbietet, kann sich unter solidarisch-begleiten@riseup.net melden

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.