Joana Nietfeld war bei einer Veranstaltung der Linken: Ein städtischer Ausweis, der Geflüchtete schützt
Menschen ohne Papiere leben in Berlin in ständiger Angst. Aufgrund der Übermittlungspflicht sind staatliche Stellen dazu verpflichtet, Menschen ohne Aufenthaltstitel an die Ausländerbehörden auszuliefern – ihnen droht dann die Abschiebung. Zwar wurden Schulen und Ärzte mittlerweile davon ausgenommen. Doch die Polizei überprüft weiterhin Papiere und Status.
In Kanada und den USA sieht das anders aus: Dort schützt das „Don’t ask, don’t tell“-Prinzip Menschen zumindest teilweise. In New York haben seit 2014 alle Einwohner*innen das Recht auf eine New-York-ID, mit der Bankkonten eröffnet und Bücher ausgeliehen werden können. Auch Zürich zieht mit der Züri City Card bald nach. Eine ähnliche Politik fordert die Linke auch für Berlin: „Mehr Teilhabe durch einen städtischen Ausweis für alle“, lautete der Titel einer Veranstaltung am Mittwochabend im Karl-Liebknecht-Haus.
Dieser Ausweis soll Illegalisierten die kulturelle und soziale Teilhabe ermöglichen. Um Stigmatisierungen zu vermeiden, soll die Karte an alle Bürger*innen ausgehändigt werden. „So lässt sich dem Stadtausweis ein Aufenthaltsstatus nicht entnehmen, ein großer Vorteil“, sagte Landeschefin Katina Schubert. „Städte können Karten ausstellen, die die Residenz bescheinigen“, sagte Helene Heuser von der Refugee Law Klinik in Hamburg. Sie warnte trotzdem: Eine Karte könne den Personalausweis nicht ersetzen.
Wie aber kommt diese Karte zu Menschen, die teilweise keinen festen Wohnsitz haben und die die Behörden fürchten? Es dürfe natürlich kein Abschieberisiko geben, sagte Elif Eralp vom Landesvorstand der Linken. Möglicherweise könne die Karte in Beratungsstellen oder Bibliotheken ausgehändigt werden – oder etwa in Einwohnermeldeämtern. Das würde aber eine Duldung durch die Behörden voraussetzen.
Berlin hat sich mit dem Beitritt zum europäischen Netzwerk „Solidarity Cities“ eigentlich auf die Fahne geschrieben, die Aufnahme und Partizipation von Geflüchteten zu unterstützen. Zur Zielsetzung des Netzwerks gehört die Verhinderung von Abschiebungen, indem man den Aufenthaltsstatus nicht abfragt. Das wird hierzulande bislang aber nicht praktiziert: Die Polizei fragt weiterhin nach Papieren, Organisationen prangern sogar regelmäßig „Racial Profiling“ an – also Kontrollen aufgrund des Aussehens.
Aus der SPD-geführten Innenverwaltung war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu bekommen. Die Linke will jetzt erst mal ein Rechtsgutachten, um sich Klarheit über die juristischen Spielräume des Ausweises zu verschaffen. Heuser empfiehlt: „Ich würde nicht von einem Ausweis sprechen“, das beschneide die Zuständigkeit des Bundes. „Sprechen wir lieber von einer Karte.“
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