: Jetzt politisch
Die Bundeszentrale für politische Bildung schmeißt sich mit dem Heft „fluter“ an die Jugend ran. Es ist ein Abklatsch des „jetzt“-Magazins
VON OLIVER TRENKAMP
Der nicht mehr ganz junge Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), Thomas Krüger, setzt schon lange auf vermeintlich jugendliche Stilmittel. Playboy-like ließ er sich 1994 nackt für ein Wahlplakat fotografieren. Da war Krüger noch Jugendsenator in Berlin und warb mit dem Slogan „Eine ehrliche Haut“. Heute trimmt er die BPB mit dem Quartalsmagazin fluter und der dazugehörigen Website auf jugendlich.
Es ist offensichtlich, an welchem Vorbild sich fluter orientiert. Mit der legendären Jugendbeilage jetzt der Süddeutschen Zeitung hat das BPB-Heft nicht nur die Kleinschreibung gemeinsam. Es ist die Vorliebe für szenische Einstiege und die „besondere“ Bildsprache, die sich in fluter wieder findet. Ebenso ähnlich ist die Schreibe: Meist bleibt der Text nah an einem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen, fast porträthaft. Das ist nicht schlecht, aber auch nicht neu.
Kein Wunder: Die fluter-Redaktion sitzt bei der Magazin Verlagsgesellschaft der Süddeutschen Zeitung. Hier wurde früher jetzt gemacht und nach wie vor das Online-Portal jetzt.de betreut. Dirk Schönlebe von der fluter-Redaktion verweist auf die „personellen Überschneidungen“ zwischen beiden Heften. Er selbst war früher als freier Mitarbeiter bei jetzt, bestreitet aber, dass sich das neue Produkt am alten orientiert.
Politischer als jetzt ist das Heft allerdings doch. Schließlich will die BPB die junge Zielgruppe der 16- bis 22-Jährigen politisch bilden, nachdem die 13. Shell-Studie „Jugend 2000“ feststellte, dass Jugendliche den staatlichen Institutionen kaum noch vertrauten. Nun beschäftigt sich der fluter in einer Auflage von 150.000 Stück jeweils auf 52 Seiten mit einem im weitesten Sinne politischen Thema: Gewalt, Gesundheit, Wirtschaft oder Mitmachen. „Wie kann ein Staat Pleite gehen?“ wird da gefragt, oder junge Bundestagsabgeordnete geben Tipps, wie sie sich politisches Engagement vorstellen. Gegenüber der in die Jahre gekommenen PZ – Politische Zeitung, die vorher von der BPB herausgegeben wurde, ist das ein Meilenstein.
Neu auch der Internetauftritt fluter.de: Die beiden Überbegriffe „Informieren“ und „Mitmachen“ leiten durch die Seite. Alle zwei Wochen wechselt der politische Schwerpunkt, „flutlicht“ genannt, der sich mit Themen befasst wie „Neue Heimat?“. Im Idealfall ergeben sich aus den „flutlichtern“ Diskussionen im Forum, beispielsweise über das Zuwanderungsgesetz. Betreut wird die Website von der Berliner Firma „Redaktion und Alltag“, die sich als Mischung aus Journalistenbüro und Werbeagentur begreift. Geschäftsführerin Tanja Lay ist auf der Suche nach dem „politischen Moment in der Alltagskultur der Jugendlichen“. Deutlich hebt sich fluter.de von jetzt.de ab. Nicht Kennenlernen und Fühlen, sondern politische Partizipation und Information stehen im Mittelpunkt.
Die BPB sieht Magazin und Website als zwei „unabhängige Formate“, die daher unterschiedliche Redaktionsstäbe hätten. Eine engere Zusammenarbeit zwischen Berlin und München ist jedoch geplant. Die „Marke fluter“, wie sie in beiden Städten genannt wird, soll ausgebaut werden. Eine Kooperation mit dem Kölner Musiksender Viva gab es schon. Nun sollen verstärkt Medienworkshops und das „Hosting von Schülerzeitungen“ dazukommen. Werbung und Marketing wird wesentlicher Teil der politischen Jugendarbeit. Das Printmagazin hat dabei vom BPB-Präsidenten Krüger gelernt: Im „Mitmachheft“ wurde am Beispiel einer Demonstrantin über Studentenstreiks berichtet. Sie war bei einer Spontandemo über den Berliner Kurfürstendamm gerannt – nackt.