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Jetzt Schluss mit dem Germanen-Stuss?

Der Verfassungsschutz meldet die Auflösung des Kameradschaftsbundes Germania – angeblich wegen interner Querelen. Kenner der Nazi-Szene vermuten einen taktischen Zug, um einer Verfolgung durch die Justiz zuvorzukommen

Die Berliner Nazi-Szene leidet unter Führungskämpfen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes hat sich der Kameradschaftsbund Germania „aufgrund von internen Querelen“ aufgelöst. Ein „selbst ernannter Kameradschaftsführer“ habe nach Erkenntnissen der Behörde versucht, seine persönliche Machtposition auszubauen.

Die Berufsschnüffler sehen in dem damit gescheiterten Zusammenschluss verschiedener Gruppen zu einem Kameradschaftsbund eine Schwächung dieser klar nationalsozialistisch orientierten Strömung innerhalb der rechten Szene. Anfang des Jahres hätten die in Kameradschaften organisierten Jugendlichen „einen stärkeren Zulauf“ gehabt, erklärt Verfassungsschutz-Sprecherin Isabelle Kalbitzer. „Jetzt ist es eher schwieriger für sie geworden.“

Eine Einschätzung, die nicht alle Kenner der Szene teilen. Unbestritten ist offenbar nur, dass der Kameradschaftsbund sich für aufgelöst erklärt habe. Allerdings, so sagt ein Sprecher des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrum, „ist genau das die Strategie der Kameradschaften“. Die in der Regel regional organisierten Neonazi-Grüppchen geben sich bewusst eine andere Struktur als die NPD: Weil sie weder Verein noch Partei sind, sind sie für die Ermittlungsbehörden schwer greifbar. Bekommen sie Probleme mit der Justiz, lösen sich die Zusammenschlüsse formal auf und entstehen unter anderem Namen neu. Allein in Berlin geht der Verfassungschutz von zehn Kameradschaften mit insgesamt knapp 100 rechtsextremen Aktivisten aus – überwiegend junge Männer aus dem Ostteil. Durch die Diskussion über ein NPD-Verbot seien sie „etwas verunsichert“, wie Verfassungsschutz-Sprecherin Kalbitzer erklärt.

Nach außen geben sich die nationalsozialistisch gesinnten Kameraden nur selten zu erkennen. Nahezu alle bekannten Nazi-Aktivisten Berlins behaupten, sie hätten mit den Germanentum-Fans nichts zu tun. Als Kontaktmöglichkeit fungieren lediglich eine E-Mail- und eine Postfach-Adresse.

Zuletzt hatte der laut Verfassungsschutz im Februar 2001 gegründete Kameradschaftsbund durch verschiedene Aufmärsche für Aufsehen gesorgt. Für den 3. Oktober mobilisiert die Kameradschaft Germania nach wie vor zu einem Aufmarsch in die Hauptstadt. Motto: „Deutschland ist mehr als die Bundesrepublik“. DHE

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