piwik no script img

Jenni Zylka Die CouchreporterComedy und Psychologie liegen nah beieinander, das zeigt die dritte Staffel „Love“

Foto: Abb.: Stephanie F. Scholz

Mit den Sehgewohnheiten ändern sich die Entzugserscheinungen. Den Cold Turkey, den ich damals, lang ist’s her, bei den ersten Seriensuchterfahrungen entwickelte, den habe ich nicht mehr – der Körper ist daran gewöhnt, beziehungsweise weiß, dass es immer Nachschub gibt. Nur so lässt sich das Warten auf die nächsten Staffeln „The Fall“ und „Taboo“ ertragen, und nur so konnte ich nach der letzten „Love“-Staffel leichtherzig und optimistisch bleiben.

Dabei war „Love“, die von Judd Apatow, Paul Rust und Lesley Arfin ersonnene Netflix-Show um die Beziehung zwischen dem Filmnerd und Möchtegern-Drehbuchautor Gus und der multisüchtigen (Drogen, Alkohol, Sex) Mickey, eigentlich schon fast auserzählt, vielleicht war das Warten auf die dritte Season auch darum nicht so hart.

In den neuen Folgen konzentrieren sich die Showrunner auf die Zwischentöne, und malen das Verhältnis des unsicheren Gus zur zweckpessimistischen Mickey in subtilsten Szenerien. Etwa, wenn Mickey nach einer gleich doppelten Beförderung in ihrem Job als Radioproduzentin – die von ihr betreute „Sex-Talkshow“ läuft nicht nur spitze, sondern dem verhassten „Psychotalk“-Kollegen wird auch noch Sendezeit geklaut – in allerbester Laune nach Hause kommt und um die konsternierte Katze herum­tanzt, und Gus zur ­selben Zeit nach einem absoluten Job-Downer in einen fast handgreiflichen Streit mit einem anderen Autofahrer gerät – seht ihr, sagt diese Szene, man weiß tatsächlich nie genau, was in dem anderen gerade vorgeht, und kann darum auch nicht voraussetzen, dass eine gemeinsame Unternehmung tatsächlich gleich erlebt wird.

Trotzdem wundere ich mich zuweilen über den Gus-Charakter, auch wenn er als Figur authentisch ist: Wieso muss er sich immer so künstlich verhalten, wieso sagt er nie, was ihm stinkt, wieso scharwenzelt er wie ein geprügelter Hund um die Vorgesetzten herum, die sein unfassbares Arschgekrieche deutlich verurteilen und ihn ohne Ende beleidigen? Liegt das alles an der angeblichen Sitte in manchen Teilen der US-Gesellschaft, Kritik nicht laut zu äußern, sondern zu allem zu lächeln? Gus, der sich nichts sehnlicher wünscht, denn als Drehbuchautor zu reüssieren, versucht gar, den Kollegen mit einem teuren Geschenk zu bestechen – „als ob wir in einer Beziehung wären“, beschwert der sich angeekelt bei Gus’ Vorgesetzter, der Chefin der Produktionsfirma, für die er arbeitet. „Bei mir ist es seine schreckliche Stimme“, antwortet sie, „das triggert mich …“ Der arme Gus hört das Lästern über seine Person, aber, tragischer Held, der er ist, schiebt sein ermattetes Selbstbewusstsein ins Auto anstatt direkt zu parieren, und schreit den nächsten Mann an, der ihm die Vorfahrt nimmt.

Die Beobachtung, dass (Hetero-)Männer Aggressionen an anderen, Frauen an sich selbst auslassen, ist keine neue, aber wird von den SerienmacherInnen hier auf’s Unterhaltsamste aufs Brot geschmiert: Mickey nämlich steht kurz davor, das neue Glück (Freund, Job) kaputtzumachen, wie es so ihre Art ist. Kaum zu glauben, dass Apatow nie Psychologie studiert, sondern immer nur Comedy gemacht hat. Aber die Erkenntnisse in beiden sind vermutlich ähnlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen