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Floh & DichtungJene Ameisen nennen dich, Jens, einen Floh

■ Sprungstil wie Ernst: „Jandls J.“ gewinnt taz-Weißflog-Wettbewerb

Das Lebensmotto von Jens Weißflog? „Man muß sich im Griff haben.“ Sich – und die Schanze. Beides hat Weißflog (31) all die Jahre getan wie kein anderer. Und so ist es mehr als gerecht, daß nach seinem sonntäglichen endgültigen Abschied am Holmenkollen dem vierfachen Gewinner der Vierschanzentournee Kränze geflochten werden. Nicht nur Super-Illu hat es inbrünstig gedrängt, dem berühmtesten Floh der Welt ein „Danke, Jens!“ zuzurufen.

Aus einer kleinen Bude im Sportclub Traktor daheim in Oberwiesenthal schwebte Weißflog dreimal zum Olympiasieg, in die Volkskammer der DDR und anvancierte schließlich zum wichtigsten Sporthotel- Besitzer und Steuerzahler seiner Erzgebirgs-Heimatgemeinde.

Floetry in Motion: Weißflog Foto: Bongarts

Auch die taz-Leserinnen und -Leser schlossen sich der nationalen Begeisterung gerne an und trugen ihr Teil dazu bei, daß die düstere Vision des 31jährigen, der offenbar einen schweren Kulturpessimismus mit sich herumschleppt („Man wird mich schnell vergessen haben. Es zählt ganz einfach heutzutage der Moment.“), niemals Wirklichkeit werden wird. Sprünge mögen endlich sein, die Poesie währt ewig.

Die Gedichte, die zum Wettbewerb „Singt ihm Oden, schreibt ihm Dramen“ eingereicht wurden, gingen jedenfalls teilweise weit über den kritischen Punkt hinaus. Erst nach nächtelangen Diskussionen und einer packenden Stichwahl gelang es einem literarischen taz- Quartett, das Siegergedicht zu küren. Dieses:

Jandls J.

Jens

ich weiß

flog.

Regina Zobel-Müller, Bonn

An Zobel-Müllers Werk beeindruckte die Jury insbesondere seine Kürze, seine Prägnanz und natürlich die nahezu perfekte Annäherung an den Sprungstil Ernst Jandls. Inhaltlich kündet es von jener Unsterblichkeit, die der Springer sich mit seinen Flügen erarbeitet hat. Gleichzeitig transportiert es in seiner offensichtlichen Kargheit die bescheidene Schlichtheit Weißflogs, der gerade erst bekannt hat, er sei nur zum Skispringen gekommen, weil er sich „zum Langlauf oft zu faul“ fühlte.

Doch auch das knapp geschlagene Silber-Werk braucht sich nicht zu grämen. Es ging ihm, wie einst bei den Olympischen Spielen 1984 in Sarajevo Jens Weißflog auf der Großschanze, auf der er auch nur von einem ähnlich Großen, dem Finnen Matti Nykänen, zu besiegen war.

An den König der Lüfte

Fliege du mutiger Segler

aus den Wolken ins Tal.

Du blickst endlich auf jene

herab,

welche wie Ameisen

dich einen Floh nennen –

nimmer kann ich es fassen.

Paul Bäurle, Bad Liebenzell

An Bäurles Werk rühmte die Jury insbesondere den hölderlinesken Hymnenstil. Auch inhaltlich überzeugen die Zeilen, gelingt es ihnen doch, den Skeptizismus über eine teilweise fragwürdige Floh-Rezeption über den Bakken zu bringen und dabei die realen Bedingungen („Ameisen“ vs. Floh) unerschrocken offenzulegen.

Platz drei ging an ein Werk, welches der Tatsache Rechnung trug, daß eine Konkurrenz natürlich aus zwei Sprüngen zu bestehen hat.

Der junge Weißflog

Skispring sprung

ziemlich jung

einst einmal

Oberwiesenthal

Daaaaaaa:

Skispring sprang

ziemlich bang

mit kurzem Wischschsch

vom Schanzentisch

beim ersten Mal!

Skisprings Sprung

zuwenig Schwung

hin er fiel

rutschte ins Ziiiiiiiiiiiiiiiel

Doch:

Skispring sprang

voll Tatendrang

ein zweites Mal

Schweeeeeeeeebte ins Tal

zum ersten Mal!

Der alte Weißflog

Skispring sprang

flog sehr, sehr laaaaaaaaang!

vor kurzem mal,

Oberwiesenthal.

Michael Pöppl, Berlin

Die Literatur-Preise gehen den DichterInnen in diesen Tagen zu. Einen Tag vor Wettbewerbsende erreichte die taz übrigens noch das eingeforderte Drama. Der Einakter „Jens“ wird derzeit noch auf seine literarischen Qualitäten geprüft. taz

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