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Jelzin will tschetschenische Rebellen auslöschen

■ Unabhängigkeitskämpfer wollen Geiseln nur im Austausch freigeben. Menschenrechtler Kowaljow und Reformpolitiker Gaidar verlassen Präsidialrat

Nowogrosny/Moskau (AFP/ dpa/AP) – Der tschetschenische Rebellenkommandeur Aslan Maschadow hat gestern eine Freilassung der Geiseln für heute angekündigt. Die Rebellen ließen aber ein 14jähriges Mädchen frei. Die Tschetschenen halten nach eigenen Angaben im Osten des Landes noch 82 Zivilisten und Polizisten fest. Die Moskauer Nachrichtenagentur ITAR-TASS nannte die Zahl von 58 Geiseln. Die Entführer hatten zunächst die Geiselfreilassung für Dienstag angekündigt, dann aber die Freilassung von inhaftierten Rebellen zur Bedingung gemacht. Russische Quellen berichteten, die Entführer wollten ihre Geiseln nur im Austausch gegen die Leichen ihrer bei dem Überfall auf Perwomaiskaja getöteten Kameraden herausgeben. Der Führer der tschtschenischen Rebellen, Salman Radujew, kündigte eine Fortsetzung des Kampfes an. Wenn die russischen Truppen und die Regierung in Moskau keine konkreten Schritte zur Anerkennung eines unabhängigen Tschetscheniens unternähmen, würden die Kämpfe noch zehn jahre weitergehen.

Unterdessen hat der russische Präsident Boris Jelzin ein hartes Vorgehen gegen die Rebellen angekündigt. Es sei russische Politik, Terroristen zu verfolgen und auszulöschen, sagte Jelzin. Er schloß aber Verhandlungen mit dem von Moskau nicht anerkannten tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajew nicht aus. Allerdings werde sich Rußland nicht Bedingungen auf dem Rücken der Geiseln diktieren lassen. Gleichzeitig warnte Jelzin davor, die Aufnahme Rußlands in den Europarat abzulehnen.

Die parlamentarische Versammlung in Straßburg soll morgen über den Antrag abstimmen. Ein negatives Votum der parlamentarischen Versammlung würde jenen in Rußland Aufwind geben, die „das tschetschenische Problem mit unmenschlichen und terroristischen Mitteln lösen wollten, heißt es in einer Mitteilung aus dem Kreml. Gleichzeitig würde eine solche Entscheidung als Ablehnung interpretiert, jene zu unterstützen, die sich für eine Stärkung der demokratischen Prinzipien und Institutionen einsetzen.

Der russische Menschenrechtler Sergej Kowaljow ist von seinem Amt als Vorsitzender der Menschenrechtskommission von Boris Jelzin zurückgetreten. Wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete, verließ der Menschenrechtler zugleich den informellen Präsidentenrat sowie andere Gremien und Kommissionen der Präsidenten- Administration. Als Grund habe Kowaljow in einem Brief an Jelzin „die endgültige Abkehr des Präsidenten von der Politik demokratischer Reformen“ angegeben, hieß es. Auch der frühere Regierungschef und Reformpolitiker Jegor Gaidar legte sein Amt im Präsidialrat nieder.

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