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Jelzin treibt Clinton Tränen in die Augen

■ Amerikanisch-russische Gipfelgespräche in New York bringen keine Einigung über Bosnien-Friedenstruppe. Jetzt sollen die Verteidigungsminister über das Oberkommando entscheiden

Berlin/Hyde Park (taz/AP/ AFP) – Ein hochrangiger US-Vertreter brachte es nach dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Bill Clinton und dem russischen Staatschef Boris Jelzin auf den Punkt: In der Frage der Befehlsgewalt über die geplante Bosnien-Friedenstruppe habe keine der beiden Seiten Zugeständnisse gemacht. Der US-Präsident wollte es nicht gar so hart formulieren: Es seien gewisse Fortschritte gemacht worden, aber eine Lösung gebe es noch nicht, sagte Clinton.

Die Claims sind abgesteckt und scheinen, zumindest im Moment noch, unverrückbar: Die USA bestehen darauf, daß die Nato die geplante, 60.000 Mann starke Truppe, kommandiert. Rußland will, daß der UN-Sicherheitsrat den Oberbefehl hat. Jelzin verlangt im Fall einer russischen Teilnahme zudem einen Sektor unter russischem Kommando. Eine Klärung in dieser Frage sollen jetzt die beiden Verteidungsminister William Perry und Pawel Gratschow herbeiführen, die in dieser Woche zu Gesprächen zusammentreffen werden.

Es handele sich dabei nicht um ein politisches Problem, sondern um eine militärische Frage, sagte dazu ein hoher amerikanischer Regierungsbeamter. Einig hingegen wurden sich die beiden Staatsmänner laut Jelzin in der Frage der von Rußland verlangten Änderungen am Vertrag über die Verringerung der konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE).

Rußland will wegen der Konflikte in den Republiken des Kaukasus an seiner Südflanke mehr Truppen und schwere Waffen stationiert lassen als im KSE-Vertrag ursprünglich vorgesehen. „Das Treffen hat uns ermöglicht, Einigkeit über die Beschränkungen bei der Flankenregelung zur konventionellen Verteidigung zu erzielen, und ich danke Clinton, uns dabei geholfen zu haben“, sagte Jelzin. Überhaupt wurde der russische Präsident bei seinem Auftritt auf dem Landsitz des ehemaligen US- Präsidenten Franklin D. Roosevelt nicht müde, die vorbehaltlose Freundschaft und das größte Einvernehmen in den Gesprächen mit dem US-Päsidenten zu betonen. Skeptiker seien damit widerlegt worden, sagte Jelzin, der es diesmal verstand, seinen Auftritt medienwirksam zu inszenieren.

Der Präsident agierte souverän und selbstsicher, wobei er allein wegen seines Körperumfanges dem amerikanischen Präsidenten kaum Platz hinter dem Mikrophon ließ. Die in- und ausländischen Journalisten fanden es dann allerdings weniger amüsant, als sich der russische Präsident zum Abschluß des Gipfeltreffens noch einen derben Witz über die Berichterstattung erlaubte. Jelzin sagte, er habe gelesen, daß sein Treffen mit Präsident Clinton wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Bosnien- Friedenstruppe zu einer Katastrophe werden könne. Dann fügte er mit Blick auf die versammelten Journalisten hinzu: „Nun, zum ersten Mal kann ich Ihnen sagen, daß Sie eine Katastrophe sind.“ Dies löste bei Clinton einen derartigen Lachanfall aus, daß er einen ganz roten Kopf bekam und sich die Tränen aus den Augen wischen mußte.

Jelzins Blick dürfte in diesem Moment wohl nicht nur in die Kameras der Reporter, sondern auch nach Rußland gerichtet gewesen sein. Dort hat bereits der Wahlkampf für die Dezemberwahlen zur Staatsduma begonnen, die als vorentscheidend für die Präsidentschaftswahlen im Juni nächsten Jahres gelten. Prognosen sagen im Moment vor allem der kommunistischen Partei von Sjuganow gute Wahlchancen voraus.

So befand denn auch die russische Tageszeitung Izvestija in ihrer gestrigen Ausgabe, daß der Auftritt Jelzins in den USA auf den in seinen patriotischen Gefühlen beleidigten russischen Wähler zugeschnitten sei. Denn dieser verspüre in den Erklärungen des Präsidenten aus Übersee lediglich ein schwaches Echo auf die früher von Großmachtglanz erfüllten Reden der russischen Spitzenpolitiker.

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