: Jelzin schaßt Reformer
■ Jelzin entläßt Steuerchef und Vizeministerpräsident Boris Fjodorow
Moskau (AFP) – Der russische Radikalreformer Boris Fjodorow hat gestern alle seine Ämter verloren. Die russischen Nachrichtenagenturen meldeten, er sei als Chef der Steuerbehörden abgesetzt worden und habe auch seinen Posten als geschäftsführender stellvertretender Ministerpräsident verloren. Letzteren Posten hatte er erst Mitte August erhalten. Zum Chef des russischen Steuerwesens war er im Mai ernannt worden. Fjodorow gilt als ultraliberaler Steuerexperte, Vertreter eines klaren marktwirtschaftlichen Kurses und als ausgemachter Gegner des neuen Zentralbankchefs Wiktor Geraschtschenko, der die Notenpresse anwerfen will, um die Schulden zu begleichen. Neben Fjodorow muß auch der Erste stellvertretende Ministerpräsident Wiktor Christenko gehen.
Präsident Boris Jelzin bestätigte unterdessen den amtierenden Minister für Privatisierung, Farit Gazizullin. Er hatte das Amt im Dezember 1997 angetreten, konnte seither allerdings keine überragende Bilanz seiner Arbeit vorlegen: Statt der erwarteten 15 Milliarden Rubel flossen in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres nur 1,329 Milliarden Rubel (rund 124 Millionen Mark) aus Privatisierungen in die Staatskasse.
Der einstige Senkrechtstarter Fjodorow war im Juli 1990 im Alter von nur 32 Jahren zum Finanzminister berufen worden. Damals fiel ihm die Aufgabe zu, die pleitegegangene Staatswirtschaft der untergehenden Sowjetunion auf marktwirtschaftlichen Kurs zu bringen. Als das von ihm ausgearbeitete 500-Tage-Programm vom damaligen Präsidenten Michail Gorbatschow abgelehnt wurde, trat Fjodorow zurück. Nach dem Ende der Gorbatschow-Ära wurde Fjodorow zu einem der wichtigsten Reformer in der neuen russischen Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen