piwik no script img

„Jeld verdiene ohne End“

Das Karnevalsbusineß: Ob Prunk oder Stunk, übers Geldverdienen wird im Frohsinnsparadies Köln nur ungern gesprochen  ■ Von Bernd Müllender

Aachen (taz) – Karnevalsarbeit ist ein hartes Brot, etwa für einen der närrischen Schunkelsänger: Immer die gleischen Nummern, immer gleisch lustisch und fröhlisch sein. Und dann diese stressige Terminhatz: Auftritt – Abmarsch – Abfahrt – Anfahrt zur nächsten Veranstaltung – Aufmarsch. Ta- taa, ta-taa. Profijecken machen, perfekt durchorganisiert, fünf bis sechs Auftritte pro Abend, und das sechs Wochen lang.

Dafür ist die Fließbandwitzarbeit ein lukrativer Job: Die Gage pro Auftritt, Dauer plus/minus zehn Minuten, liegt, ehrenamtliche Neulinge ausgenommen, bei 300 bis 1.000 Mark – pro Witz oder Lied also durchaus der Tagesverdienst eines Facharbeiters. Stars streichen bis 2.000 Mark ein, und wenn das Fernsehen da ist, auch mehr. Die wirklich großen Stimmungssänger und Büttenredner, lachen sich, heißt es in der Szene, an den tollen Tagen „locker ein Eigenheim zusammen“. Da setzt man sich gern schon mal eine alberne Mütze auf.

Eine Kinsey-Studie kam 1991 auf einen Gesamtumsatz der Kölschen Fröhlichkeitsindustrie von 500 Millionen Mark: In vorderster Schunkelfront sind da die Gastwirte und Kölsch-Brauer, dann Hotelgewerbe, Kostüm- und Devotionalienhandel, Süßkramhersteller, Konfettistanzer. Dem Sprecher des reichen wie mächtigen Festkomitees Kölner Karneval e. V., kurz FK, Professor Benno Wiersch, scheint die Summe sogar untertrieben: „Mittlerweile ist das wohl einiges mehr.“

Deutlich übertrieben nennt Wiersch die jüngste Summe von einer Million Mark (statt magerer 60.000 Mark wie im Vorjahr), die der WDR für die Übertragungsrechte am Rosenmontagszug an seinen Jecken-Oberverein gezahlt habe. Bei den Kosten wird er konkreter: Der Zug verschlinge geschätzte 4,5 Millionen, jeder Pappmachéwagen bis zu 30.000 Mark. Und die Stadt Köln zahle „noch keine 300.000 Mark an Zuschuß“.

Raum für Spekulationen läßt Wiersch auch über die jährlich neu festgelegten Einlagesummen des jecken Dreigestirns: „Da nennt das FK seit 1823 keine Zahlen.“ Insider schätzen bis zu einer viertel Million, die Prinz, Bauer und Jungfrau aus dem eigenen Geldbeutel vorstrecken müssen für Kostüme, Wurfmaterial und so weiter.

Viel Geld für tollitäre Ausgelassenheit? Für die jecke Dreifaltigkeit, meist Kölner Geschäftsleute (1996 ein Bestattungsunternehmer, ein Matratzen- und ein Ordenshändler), sind das Betriebskosten, die sie in ihrer Steuererklärung absetzen können. Ihr Name, ihr Gesicht in allen Medien – das ist beste Werbung fürs Zivilbusineß ab Aschermittwoch. Da kann man auch auf den Sitzungen der rund hundert kölschen Karnevalsvereine „für die Ehre, für ömmesöns“ (Wiersch) auftreten.

Auch der mittlerweile bundesweit gerühmte Kölner Alternativkarneval Stunksitzung macht längst Umsätze jenseits der Millionengrenze. Auch die „Rosinen im Erbrochenen des rheinischen Frohsinns“ (Stunkers Eigenmotto 1996) sind Geschäftsleute. Bei über 30 Terminen des Politkarnevals vor je gut tausend Leuten und Preisen bis 40 Mark kommen laut Stunk-Sprecher Winni Rau mit WDR-Honorar „dieses Jahr etwa 1,2 Millionen zusammen“.

Weil immer wieder der Vorwurf aufkomme, Stunk sei „eine Goldgrube, wo Millionen gescheffelt werden“, ist Rau schnell dabei, alle Kostenposten aufzuzählen: Saalmiete, Licht- und Tontechnik, Requisiten, Produktion. Und er betont, daß Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger „nur 10 statt 40 Mark bezahlen“: „Wir haben da ja eine Verantwortung.“

Wichtig ist den Stunkern, daß seit dem Start 1984 alle jeweils den gleichen Anteil am Überschuß bekommen – Starmoderator Jürgen Becker genau wie der Schlagzeuger von der Band „Köbes Underground“: „Nach innen sind wir schließlich wie ein Kollektiv organisiert.“

Weniger eifrig spricht auch Rau über die genaue Summen auf der Habenseite. Für die 22 Mitwirkenden (zur Hälfte Musikcombo und Bühne) bleibt am Ende eine Gage, die „nicht größer ist als in einem normalen Beruf“. Und das „brutto für fünf Monate Vollstreß“, wie Ensemblemitglied Didi Jünemann sagt. Intern sprechen die Stunker von ihrem „BAT-Jeck-3-Gehalt“. Die 35.000 Mark, von denen zuletzt gemunkelt wurde, seien indes, sagt Rau, zu hoch gegriffen. „So viel wäre schön.“

Ein heimischer Bütt-Routinier würde sich über solche Lappalien schlapplachen. Das macht er mit seinem Stuß locker pro Woche. Und weiterhin bleibt Jürgen Becker, Stunk- Erfinder und -Frontmann (dieses Jahr Babypause), seinem Marktsegment der Fröhlichkeit treu. Dabei hat auch er, mit Büchern, CDs, regelmäßigen Auftritten in Funk und Fernsehen und dank Karnevalsreputation ausverkauften Solotourneen längst ein Kabarettstar hierzulande, schon von einem hohen Alaaf-Funktionär gehört: „Becker, Mensch, du müßtes bloß in dä rischtije Karneval mitmache, da tätste Jeld verdiene ohne End.“ Dreimal Kölle helau!

Siehe auch Flimmern und Rauschen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen