Jeanne Moreau ist tot: Die geborene „Femme fatale“
Jeanne Moreau hat unvergessliche Rollen kreiert. Nun ist der französische Leinwandstar und Männerschwarm gestorben.
Moreau spielte mit Überzeugung und Hingabe. Unvergesslich ist ihre Rolle in dem Film „Fahrstuhl zum Schafott“ von Louis Malle. Der Krimi, in dem sie mit ihrem Geliebten ihren Ehemann beseitigt, brachte ihr den Durchbruch als Schauspielerin. Ein legendäres Spieldebüt war der Film aus dem Jahr 1957 auch für Malle, einen der wichtigsten Mitbegründer der Nouvelle Vague – einer Stilrichtung, die die eingefahrene Bildsprache des Kommerzkinos ablehnte.
Malle hatte Moreau in Tennessee Williams Theaterstück „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ des Regisseurs Peter Brook entdeckt. Denn die grazile Pariserin war bereits ein Star des französischen Theaters, bevor ihre Leinwandkarriere begann. Mit 20 Jahren war sie eine der jüngsten Schauspielerinnen, die in die ehrwürdige Comédie française aufgenommen wurde.
Zum internationalen Star machte sie fünf Jahre später François Truffaut, ein weiterer Nouvelle Vague-Vertreter. In seiner Dreiecksgeschichte „Jules und Jim“ spielt sie grandios die Catherine, eine unabhängige Frau, die zwei Männer liebt.
Mutig überwand sie alle Hindernisse
Moreau brauchte das Kino – und das Kino sie. Sie drehte mit allen großen internationalen Regisseuren: angefangen von Michelangelo Antonioni, Orson Welles bis hin zu Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und François Ozon. Moreaus Verwandlungsfähigkeit hat sie alle fasziniert.
Der Regisseur Joseph Losey nannte ihr Talent, in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen, sogar ein Wunder. „Sie ist eine Frau, die sich einer Unzahl von Hindernissen gegenüber sieht und sie überwindet, indem sie all ihre Fähigkeiten einsetzt.“ Der US-Amerikaner drehte 1962 mit ihr „Eva“. Es war eine ihrer gewagtesten Rollen. In dem Film verkörpert Moreau eine anspruchsvolle verheiratete Prostituierte, der ein Schriftsteller sexuell verfällt.
Moreau spielte alles, je nach Film und Drehbuch. Sie war melancholisch, unnahbar, verführerisch, unabhängig, lebensfroh, verletzlich, gerissen und heimtückisch. Am meisten haftete ihr jedoch das Klischee der „Femme fatale“ an. „Wie kaum einer anderen Schauspielerin gelingt es Jeanne Moreau, die Verkörperung des Ewig-Weiblichen mit der „verruchten“ Ausstrahlung einer „Femme fatale“ zu kombinieren und das Spannungsfeld zwischen beiden Polen auszuloten“, sagte der ehemalige Berlinale-Direktor Moritz de Hadeln im Jahr 2000. In Berlin wurde Moreau auf dem Filmfestival mit einem Goldenen Bären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
Und so ließ Malle sie in „Die Liebenden“ eine großbürgerliche Ehefrau spielen, die ihren Mann wegen eines Studenten verlässt, den sie am Abend zuvor kennengelernt hat. In „Tagebuch einer Kammerzofe“ spielt Luis Buñuel ihre Erotik aus, und als Puffmutter tritt sie in Fassbinders Liebes- und Sozialdrama „Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel“ auf.
Das Wichtigste war ihr zu leben
Ihr breitgefächertes Repertoire offenbart ihr Talent, aber auch einen ihrer wichtigsten Charakterzüge: ihre Unabhängigkeit. „Ich lebe auf meine Weise, ich bin unabhängig (…)“. Und so wechselte die Tochter eines französischen Gastronomen und einer britischen Tänzerin im Jahr 1976 das Metier und feierte mit „Lumière“ ihr Regie-Debüt, einem Drama, das die Lebensgeschichten von vier Freundinnen erzählt.
Mehr als 20 Jahre später wiederholte sie ihre Regie-Erfahrung im Theater. Mit 72 Jahren präsentierte sie in Paris im Jahr 2000 eine Neuinszenierung des Stücks „Wit“ der Amerikanerin Margaret Edson. Das Werk handelt von dem Schicksal einer krebskranken Frau, die weiß, dass sie nur noch zwei Monate zu leben hat. Es war kein Zufall, dass sich Moreau für dieses Stück entschieden hatte. Sie selbst hatte als junge Frau einen Gebärmutterkrebs überwunden.
Moreau hatte sich nie auf vorgeschriebenen Bahnen bewegt – auch privat nicht. Sie war zweimal verheiratet und hatte viele Liebhaber. Sie habe viele Männer verführt. Sie habe sich jedoch immer von Männern mit Talent angezogen gefühlt, gestand sie einst. Denn das Wichtigste im Leben sei – zu leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus