Jazz-Dinner bei Bush: New Yorker Zweifel
George W. Bush lädt zum Jazz-Dinner ins Weiße Haus, Bassist Charlie Haden zweifelt daran, dass Rassisten einen Schwarzen Präsidenten wählen und New York kampft um sein Jazzpublikum.
Kurz vor Ende seiner Amtszeit lädt George W. Bush noch zum "Jazz-Dinner" ins Weiße Haus. Es finden sich Musiker, die auftreten, etwa der Gitarrist Earl Klugh.
Wie mag sich das anfühlen, wenn der US-Präsident an die Zeit der Sklaverei erinnert und ein Afroamerikaner säuselnden dazu Jazz dudelt? Noch heute wird man im Umkreis des Jazzmanagers George Wein auf die negativen Publikumsreaktionen angesprochen, die Duke Ellington bei den Berliner Jazztagen vor 40 Jahren hervorrief. Ob die Deutschen immer noch Jazz hassen würden, heißt es dann. Dass sich Ellington mitten im Vietnamkrieg von US-Präsident Richard Nixon am 8. März 1971 die Feier zu seinem 70. Geburtstag ausrichten ließ und sich danach als Nixon-Freund bezeichnete, ist nicht vergessen. Das Ausbuhen des Jazz-Giganten Ellington in Deutschland war dennoch unverzeihlich.
George Wein schuf 1954 übrigens das "Newport Jazz Festival". Heute leitet er das "JVC Jazzfestival" in New York und erreichte damit, dass der Juni von der Stadtverwaltung zum offiziellen Jazzfestivalmonat erklärt wurde. Während das "JVC Jazzfestival" in den letzten Jahren parallel zum "Vision Festival" lief, gingen die beiden Veranstaltungen diesmal nahtlos ineinander über. Letzteres endete am 15. Juni mit einer überwältigenden Free-Jazz-Gospel-Hommage an den Soulsänger Curtis Mayfield, während das "JVC" am 17. Juni mit einer würdevollen Hommage an Alice Coltrane begann.
Mit dabei war auch der Bassist Charlie Haden, langjähriger künstlerischer Begleiter der Pianistin und Harfenistin. Im Gespräch äußert Haden große Skepsis über die politische Zukunft seines Heimatlandes.
Die Bushs hätten mit einer korrupten Politik Milliarden Dollar beiseitegeschafft, so Haden. Der Musiker glaubt auch nicht, dass Rassisten, die man außerhalb New Yorks überall in den USA antreffen würde, bei der Präsidentschaftswahl ausgerechnet für einen Schwarzen stimmen.
Die USA hätten Erfahrung darin, ihre politischen und spirituellen Führer umzubringen, sagt auch der Dirigent Butch Morris nach seinem wöchentlichen Konzert mit dem sensationellen NuBlu-Orchester in einer kleinen Bar in der Lower East Side. Je mehr sich ein Regierungswechsel zugunsten Obamas abzeichnet, desto vorsichtiger würden die Leute werden. Gerade erlebt man in New York eine Zwischenphase, die Nominierungskämpfe sind vorbei, aber der harte Wahlkampf hat noch nicht begonnen. Beim "JVC"-Open-Air-Konzert im Prospect Park von Brooklyn wird dazu aufgerufen, sich als Wähler registrieren zu lassen. Mehr interessieren sich die Zuschauer aber für das Trio Medeski Martin & Wood. Im Vorprogramm stellt der Gitarrist Marc Ribot seine Experimental-Retro-Band und das Album "Ceramic Dogs" vor.
Im Juni findet jeweils auch die alljährliche Preisverleihung der "Jazz Journalists Association" statt. Die 450 Mitglieder zählende Vereinigung feiert dann die Bekanntgabe ihrer zahlreichen Exzellenzpreise. Die Preisträger machen den Event zu einem Muss - wie der Schlagzeuger Roy Haynes und der Pianist Hank Jones, der in Kürze 90 Jahre alt wird. Er spielt mit dem Saxofonisten Joe Lovano drei Stücke. Beim "JVC Jazzfestival" ist Jones ein ganzer Konzertabend gewidmet.
Eine große Überraschung war auch, dass die Jazzjournalisten 2008 Patricia Nicholson Parker zur "Event-Produzentin des Jahres" kürten. Ihr selbst organisiertes, vorwiegend der afroamerikanischen freien Improvisationsmusik gewidmetes "Vision Festival" verweist damit auch die Multimillionen Dollar schwere Mainstream-Organisation "Jazz at Lincoln-Center" auf die Plätze.
George Wein war als Laudator zur Stelle, als die Jazzjournalisten Dana Gioia kürten, der seit 2003 dem "National Endowment for the Arts" vorsteht und damit auch der höchsten Kulturförderanstalt, die es in den USA für Jazz gibt. Administrativ gesehen ist Gioia ein Bush-Mann. Da in seiner Amtszeit wieder vermehrt Gelder für Jazz fließen, sagt Wein, Gioia sei das Beste, was den USA in den vergangenen sieben Jahren passiert sei.
Auch in New York müssen Veranstalter um ihr Jazzpublikum kämpfen; für Cecil Taylor hat das "JVC-Jazzfestival" nur eine kleinere Konzerthalle gemietet. Als der einst im Weißen Haus spielte, war US-Präsident Jimmy Carter so begeistert, dass er Taylor unbedingt mit Wladimir Horowitz zusammenbringen wollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!