Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Ja, nein, vielleicht …
Aua!“, schreit der Freund am Telefon.
„Was ist passiert?“
„Ich hab mir den Fuß am Duden gestoßen!“
„Am Duden?“
„Am Rechtschreibduden.“
„Warum liegt der auf dem Fußboden?“
„Weil ich nicht weiß, wohin damit, ich hab so viele Bücher und all diese Duden von früher, das Stilwörterbuch, das Bedeutungswörterbuch, das Fremdwörterbuch, das etymologische Wörterbuch und noch so ein, zwei. Sie sind neben meinem Bett gestapelt und manchmal fallen sie um und dann lauf ich im Halbschlaf dagegen.“
„Eigentlich schön, was zum Nachschlagen, ohne das Werbung aufploppt.“
„Schon wahr, aber das Blättern zum Ziel hat mittlerweile schon was Gediegenes, manchmal fühl ich mich dann alt.“
„Altmodisch.“
„Ja, man blättert und blättert und das alles nur für ein einziges Wort.“
„Eigentlich wunderschön, aber wer kann sich das noch leisten?“
„Stipendiaten und Erben.“
„Ich hatte mal ein effektives System beim Wörter nachschlagen und dann kam das Internet. Jetzt hab ich das System vergessen.“
„Und ich hab manchmal morgens irgendeine Seite aufgeschlagen und mir gesagt, das Wort, was ich als Erstes ansehe, hat eine relevante Bedeutung am heutigen Tag oder in der nahen Zukunft.“
„Klingt unterhaltsam.“
„Wenn es zu negativ oder absurd war, hab ich mir zwei weitere Versuche gegeben.“
„So tolle Sachen kann man mit dem Internet nicht spielen.“
„Lass doch mal machen!“
„Jetzt?“
„Ja, genau, ich hab auch noch genug Wörterbücher im Regal stehen. Du nimmst das, woran du dir weh getan hast, ich das erste, das mir in die Finger kommt!“
„Alles klar, bis gleich!“
…
„Hallo?“
„Ich hab zuerst den Universal Wahrig gesehen, in dem wirklich alles drin steht.“
„Fang an.“
„Nee, das Wort will ich nicht!“
„Welches denn?“
„Sag ich nicht, ich will nochmal.“
„Ok, noch zwei Versuche.“
„Och nö, das Wort ist auch nicht schön.“
„Jetzt sag es, aber du darfst nochmal.“
„Gastrin.“
„Das Magensäurehormon.“
„Ich trink zu viel Kaffee. Das hätte ich auch so gewusst.“
„Dann mach nochmal.“
„Terrier!“
„Hm.“
„Vanessa hat einen Terriermix.“
„Trefft ihr euch heute?“
„Nee, aber in genau einer Woche. Jetzt bist du dran.“
„Ok, warte … Marionette!“
„Das ist schön.“
„Für Kinder schon, für Erwachsene nicht.“
„Ich bin erwachsen.“
„Willst du nochmal?“
„Nee, ich muss jetzt aufräumen, ich krieg heut Besuch. Was machst du noch?“
„Ich leg mich nochmal hin.“
„Liest du gerade irgendwas?“
„Nee, aber ich hab so viele ungelesene Bücher.“
„Ich mag es, wenn sie herumliegen.“
„Solange man sich nicht dran stößt.“
„Doch, das mag ich auch.“
„Was war denn nun dein erstes Wort?“
„Nein.“
„Hä?“
„Es war „Nein“, das Wort.“
„Aber das ist doch ein gutes Wort, manchmal wird dadurch alles besser.“
„Ja.“
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Sie war für den diesjährigen Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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