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Jasmin Ramadan Einfach gesagtGlut, Verstand und Filter

Die Kippe merkt man ja kaum! Was ist das für ein Zeug? Da kann ich ja gleich an einem Kugelschreiber ziehen“, sagt die Freundin und zieht nochmal extra doll an der Zigarette, die sie gerade von mir geschnorrt hat.

„Halt sie doch mal in den Nieselregen“, sagt die andere Freundin.

„Wozu das?“

„Na, als Teenager haben wir doch geglaubt, die Zigarette wird stärker, wenn man sie nass macht.“

„Stimmt, wir haben die sogar angeleckt.“

„Und wir haben ins Bier geascht, damit es besser knallt!“

„Ekliger Unsinn.“

„Anstatt dass wir gleich den harten Stoff geraucht und getrunken haben, wie die fertigen Typen mit den gelben Fingern.“

„Roth-Händle ohne Filter und Elephant Bier!“

„Verruchte Extremisten, die man nur aus der Ferne kannte.“

„Manchmal hatte jemand so ein Soft-Pack dabei, für die Mutprobe, ich hab mal gezogen und mich fast übergeben.“

„Prince Denmark hat auch reingehauen oder HB!“

„HB war aber uncool, die haben Eltern geraucht.“

„Aber das HB-Männchen war immer gut drauf, die Message der Werbung war: Rauchen macht lustig, glücklich und superfit!“

„Konkret ein Antidepressivum!“

„Ich bin direkt mit Marlboro eingestiegen, weil der große Bruder von 'ner Freundin die geraucht hat. In den war ich zwei Jahre und fünfeinhalb Monate verliebt – dabei haben wir niemals miteinander gesprochen: Robin Malkowski!“

„Warum nennt man erste unerfüllte Lieben immer mit Vor- und Nachnamen?!“

„Weil das auch so 'ne Art Marke ist, ein ewiges Bild, primitiv prägende Erinnerung, ein Brand, der dich für immer beeinflusst. Vielleicht heiraten manche einen Idioten, nur weil er an Robin Malkowski erinnert.“

„Ich glaub', mein Vater war so ein Robin Malkowski für meine Mutter.“

„Oder du fängst wegen einem Robin Malkowski mit fünfzehn an zu rauchen, was genauso schlimm und unemanzipert ist.“

„Meine Mutter hat R6 geraucht, das waren die Leichtesten damals.“

„Dann kam R1, die waren noch leichter.“

„Ja, das erkannte man schon am Namen, damals hießen Zigaretten noch nicht light!“

„Und jetzt auch nicht mehr.“

„Damit sich ja niemand einbildet, light wäre gesünder.“

„Als würd's beim Rauchen um Gesundheit gehen.“

„Ich hab erst mit Mitte zwanzig angefangen.“

„Als man längst reif genug war, zu wissen, wie schädlich es ist.“

„Ich hab immer alles richtig gemacht, hatte kein Laster, meine Kindheit war toll, meine Eltern waren die besten Freunde, ich hatte nicht mal ein gebrochenes Herz.“

„Und deshalb wolltest du dich zerstören?“

„Ich wollte einfach mal was falsch machen.“

„Ich wollte nur dazugehören.“

„Der Klassiker.“

„Nee, cool sein ist der Klassiker.“

„Ist das nicht dasselbe?“

„Nur wenn man jung ist, später ist es umgekehrt.“

„Und jetzt?“

„Hören wir auf.“

„Oder zünden uns einfach noch eine an.“

„C’est la vie.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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