Jasmin RamadanEinfach gesagt: Der berühmteste Anführer überhaupt war megalieb
„Mach mal „Toxic“ von Britney Spears an!“, brüllt eine Freundin um kurz vor Mitternacht auf der Silvesterparty.
„Nee, ey, das Lied geht gar nicht, das verherrlicht voll toxische Männlichkeit“, lallt eine andere.
„Wieso? Es geht doch darum, dass der Typ in dem Lied ein Arsch ist.“
„Naja, aber sie will trotzdem mit ihm schlafen!“
„Nicht trotzdem, deswegen!“
„Hä!? An welcher Stelle singt sie das?“
„Was weiß ich denn, aber das Lied ist doch ein reines Balztanzlied, so ein Arschwackellied mit sexy arabischen Sounds dazwischen.“
„Britney, die alte Antifeministin sang doch schon den Titel „Born to make you happy“. Deshalb ist die auch irre geworden!“
„Normal, voll weich, ganz falsche Lebenshaltung!“
„Also echt, die reinste Mädchenverblödungsmucke! Männer singen nie so einen Scheiß, dass sie nur wegen irgendeiner Frau auf diesem Planeten sind oder so!“
„Doch! „I was born for loving you“ von Kiss!“
„Das ist aber nicht so schlimm wie „Born to make you happy“ – man kann ja durchaus jemanden lieben und sich dabei selber happy machen, aber wenn man nur born to make jemand anderen happy ist, dann ist das schon grenzwertig debil.“
„Was ist überhaupt der Unterschied zwischen toxischer Männlichkeit und klassischem Machismo!?“
Ein Freund mischt sich ein:
„Für Machismo hassen mich die coolen Frauen, für toxische Männlichkeit hasse ich mich selber und das macht mich voll cool, ist noch was von dem teuren Gin da?!“
„Nee, aber Wodka reichlich.“
„Juchhu, lasst uns uns weiter intoxikieren.“
„Momentchen, hab ich das richtig verstanden oder bin ich schon zu besoffen – ein moderner Mann ist ein toxischer Mann?“
„Nee, ein moderner Mann ist ein reflektierter Macho.“
„Aber gab es das nicht auch schon zur Hippie- Zeit oder so zur Studentenrevolte?“
„Das war krass pseudo, die haben nur so getan in ihren ausgeleierten Cordhosen und mit ihren Schnaufbärten. Alles linke Machos, die ihre Frauen verarscht haben und das Verfluchen des Konservatismus als Freischein zum Rumbumsen missbraucht haben.“
„Woher weißt du das?“
„Meine Mutter!“
„Also, ich denke mal, toxische Männlichkeit heißt, Mann weiß selber, dass ihn zu viel Männlichkeit krank macht.“
„Aha!!!! Er ändert sich also nicht der Frau zuliebe, sondern weil ihn das sonst zu früh killt.“
„Genau, alles Selbstzweck, damit die uns endlich beim Lebensalter einholen.“
„Ich versteh gar nicht, woher dieses Härteding beim Mann überhaupt kommt, der berühmteste Anführer überhaupt war doch megaweich und -lieb.“
„Wen meinst du?“
„Na, Jesus.“
„Stimmt, warum hat sich das nicht durchgesetzt?“
„Na, Jesus war körperlich unterlegen und wurde umgebracht. Das finden Männer nicht so ansprechend.“
„Ja, muskuläre Unterlegenheit finden die vom Gefühl her ungesünder als jeden Tag Schnitzel.“
„Genau, deshalb rennen viele ständig ins Fitnessstudio, damit man sie nicht ans Kreuz nageln kann.“
„Leute, gleich ist 12!“
„Ja, mach mal ein gutes Lied an!“
„Was denn?“
„Was Geschlechtsneutrales!“
„We are the Champions!“
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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