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Jasmin RamadanEinfach gesagt„Menschen sind Arschlöcher. Das ist alles“

Foto: Roberta Sant'anna

„Och man ey, wie lange müssen wir denn noch in der Hitze stehen, bis unser Tisch frei wird, ich krepier hier gleich“, sagt die Teenagerin, die mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester vorm Griechen in Eimsbüttel steht.

„Jetzt komm mal runter, Marisa, denk an die Flüchtlinge auf den Booten, die sind tagelang der sengenden Hitze ausgesetzt und auf die wartet dann nicht lecker Lammspieß mit Pommes, sondern oft der Tod!“

„Iris!“, sagt der Vater, „jetzt dramatisier nicht schon wieder, damit ist niemandem geholfen.“

„Ja, Mama, was kann ich dafür, dass die Leute in die Boote steigen?“

„Allein für diese unterkomplexe Pseudofrage würd ich dir am liebsten eine schallern, Marisa! Dir geht es seit deiner superanstrengenden Geburt gut und deine Nörgeljammerschmerzgrenze wabert trotzdem auf Höhe deiner Glitzer-Birkenstocks.“

„Ich hab nicht darum gebeten, geboren zu werden und es kann einem jawohl auch beschissen gehen, obwohl man nicht in einem Flüchtlingsboot sitzt!“

Sie zieht sich die Sonnenbrille aus den Haaren, setzt sie auf und verschränkt die Arme.

Die jüngere Schwester fragt:

„Warum steigen die Menschen in das Boot, wenn sie da sterben können?“

Der Vater streicht ihr über den Kopf und sagt:

„Weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen.“

„Und warum hilft ihnen keiner, Papa?“

Die Mutter sagt:

„Weil Hilfe immer auch eigennützig ist und diese Menschen niemandem nützen, außer denen, die ein substanzielles Gewissen haben – und die, meine liebe Miriam, die sind eben darum meist nicht an der Macht.“

„Das versteh ich nicht“, sagt Miriam und Marisa sagt:

„Menschen sind Arschlöcher, Miriam. Das ist alles.“

Miriam sagt:

„Die große Schwester von meiner besten Freundin sagt, man kann ein guter Mensch sein, wenn man bestimmte Sachen im Supermarkt kauft, wo dann was von gespendet wird.“

Marisa schüttelt den Kopf:

„Als würde man die Verhältnisse auf der Welt ändern, weil man mit einem scheiß Müsliriegel sein Gewissen beruhigt.“

Die Mutter sagt:

„Helfen durch Konsum, Gott im Himmel – wie verlogen.“

Marisa stimmt ein: „Das ist so unpolitisch, dass ich kotzen könnte. Wie der Idiot in meiner Klasse, der meint, er würde einfach superviel Kohle verdienen, nur dann könne er helfen, er nennt es: Earning to Give!“

Die Mutter zündet sich eine Zigarette an:

„Was für ein Pisskopf! Damit stützt er den Neoliberalismus, der das ganze Elend produziert.“

„Iris“, zischelte der Vater, „wir hatten doch abgemacht, dass du nicht mehr vor den Kindern rauchst.

„Ach, Clemens, jetzt spinn nicht rum, ob ich jetzt rauche oder nicht, daran hängt doch nichts.“

„Doch, unser Ehefrieden.“

„Clemens bitte, die Mädels wissen doch, dass ich rauche. Ehrlichkeit ist ein wichtiger Wert.“

„Immer musst du deine Schwächen auf eine höhere Ebene labern!“

„Wem!? Wem hilft denn das, Clemens, wenn ich jetzt meine Zigarette ausmache?!“

„Helfen ist auch nicht die Antwort auf alles, Iris!“

„Was ist denn die Antwort auf alles, Clemens!?!“

Der Kellner trat mit einem Tablett vor sie hin: „Ouzo?“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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