: Japans Erster Bürger
Nationalisten haben Probleme mit neuem Kaiser Akihito ■ P O R T R A I T
Zwölf Jahre alt war Kronprinz Akihito, als sein Vater nach den Atombombenangriffen auf Hiroschima und Nagasaki und der bedingungslosen Kapitulation 1945 seinen fassungslosen Untertanen erklärte, daß er kein Gott sei. Wenn er jetzt, inzwischen 55jährig, den Chrysanthementhron besteigt, wird Japan zum ersten Mal einen Kaiser haben, der von der Neuzeit geprägt ist. Für Nippons Nationalisten sind die Akihito zugeschriebenen säkularen Eigenschaften wie seine demokratische Staatsauffassung und sein Internationalismus ein Affront gegen das bei seinen Landsleuten tief verankerte Gefühl der Einzigartigkeit der „japanischen Rasse“. Es sei ein „nicht wiedergutzumachender Fehler“ gewesen, daß Akihitos Erziehung in der Zeit der amerikanischen Besatzung von westlichen, ja sogar von christlichen Einflüssen geprägt worden sei, schrieb der Historiker Yuji Aida.
Akihito hat in der langen Zeit, in der er auf seine eigentliche Berufung wartete, vor allem Wert darauf gelegt, als gewöhnlicher Sterblicher zu erscheinen. Nach japanischen Maßstäben war es revolutionär, daß er zur Schule ging und nicht wie seine 124 direkten Vorfahren von Tutoren erzogen wurde, die die künftigen Gott-Kaiser ehrfurchtsvoll in schintoistischen und konfuzianischen Lehren und Mythologien unterwiesen hatten. Inzwischen ist die Trennung von Staat und Religion Verfassungsgrundsatz. Aber daß Verständnis und Affinität für christliche Grundhaltungen bis ins Kaiserhaus hineinreichen, ist für Japans Nationalisten doch unfaßbar.
Nach einer Tennisplatz-Romanze heiratete der Thronfolger die bürgerliche Michiko Shoda. Die beiden Söhne schickte Akihito sogar zum Studium nach Oxford. Das konservative Japan zittert vor Angst, daß einer von ihnen eine „Prinzessin mit blauen Augen“ mitbringen könnte.
Im Mai 1985 zog Akihito sich den Spott der Öffentlichkeit zu, als er in Japans Hauptstadt demonstrativ U-Bahn fuhr, um seine demokratischen Überzeugungen zur Schau zu stellen: Für Akihito und seine Begleitung wurden Bahnsteige geräumt, und in „seinen“ Zug durfte sonst niemand einsteigen. Eine andere Geschichte will, daß er selbst angeordnet habe, seine Autokolonne bei Fahrten durch Tokio vor roten Ampeln halten zu lassen wie die Wagen anderer Staatsbürger auch.
Die „Kaiserliche Haushaltsbehörde“ aus 1.160 Beamten wird den neuen Kaiser dennoch ebenso wie den alten ohne Rücksicht auf dessen eigene Ansichten lenken: Hofbeamte mit monströsen Titeln legen fest, wann die Haare des Monarchen geschnitten werden, welche Anzüge er trägt, wohin er reist und was er bei welcher Gelegenheit sagt. Sie entscheiden schließlich, was den Untertanen über ihn mitgeteilt wird.
dpa
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