piwik no script img

Janukowitsch will Erlass unterschreibenRegierungsumbildung versprochen

Ukraines Präsident kündigt Änderungen in der Regierung und Modifikationen der Versammlungsfreiheit an. Zeitgleich ernennt er einen umstrittenen neuen Stabschef.

Demonstranten auf Barrikaden in Kiew. Bild: dpa

KIEW dpa/ap/afp | Im ukrainischen Machtkampf hat Präsident Viktor Janukowitsch für die kommende Woche eine Regierungsumbildung versprochen. Er werde bei einer Sondersitzung des Parlaments am Dienstag einen entsprechenden Erlass unterzeichnen, kündigte der prorussische Staatschef am Freitag an.

Ziel sei eine „optimale Variante für eine professionelle Regierung“. Zudem werde es Änderungen in umstrittenen Gesetzen zur Versammlungs- und Pressefreiheit geben, sagte Janukowitsch Medien zufolge. Bei Krisentreffen hatte er sich mit der Opposition bisher nicht auf eine Lösung der schweren Krise einigen können.

Die Demonstranten verringerten auch nach einer Einigung auf einen Gewaltverzicht nicht den Druck auf die Regierung. Hunderte besetzten am Freitag ein Gebäude des Landwirtschaftsministeriums in Kiew; im Stadtzentrum demonstrierten Dutzende Frauen für ein Ende der Gewalt. Präsident Janukowitsch zeigte wenig Kompromissbereitschaft und ernannte einen Hardliner zu seinem neuen Stabschef.

Als die Menschenmenge in Kiew in das Ministerium eindrang, gab es keinen Widerstand des Wachpersonals. „Wir müssen die Leute bei dem Frost warm halten“ sagte Andrij Moisseenko, einer der Demonstranten im Ministerium. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad Celsius an. „Wir können die Leute nicht die ganze Zeit in Zelten schlafen lassen“, sagte er. Die Demonstranten erlaubten den Beamten, ihre Habseligkeiten mitzunehmen. An die Arbeit durften sie jedoch nicht gehen.

Barrikaden im Stadtzentrum

Die Demonstranten haben sich hinter Barrikaden im Stadtzentrum verschanzt. Dort demonstrierten Dutzende Frauen mittleren Alters und riefen den Polizisten zu: „Ihr seid unsere Kinder! Keine Mütter-Tränen mehr!“ Die 48-jährige Oksana Tichomirowa sagte weinend, die Demonstranten wie die Polizisten seien Söhne der Ukraine. „Ich habe getötete und verkrüppelte Menschen gesehen. Wir müssen das beenden.“ Die Polizisten hörten regungslos zu.

Auch in der Provinz weitete sich der Protest aus. In mehreren Städten belagerten Oppositionsanhänger die Büros von Gouverneuren. In Lwiw (Lemberg) nahe der polnischen Grenze zwangen die Demonstranten den Gouverneur zum Rücktritt, den dieser später zurückzog. In Tscherkassy, rund 150 Kilometer südöstlich von Kiew, schützte ein Polizeiaufgebot den Sitz des Gouverneurs.

Präsident Janukowitsch ernannte unterdessen Andrij Klujew zu seinem neuen Stabschef. Die Opposition macht Klujew für Gewaltausbrüche der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten verantwortlich.

Am Donnerstagabend hatte sich Janukowitsch mit Vertretern der Opposition getroffen. Einen Rücktritt schloss er dabei aus, kündigte aber die Freilassung festgenommener Demonstranten an. Für kommenden Dienstag setzte Janukowitsch eine Sondersitzung des Parlaments an.

Unerbittliche Demonstranten

Oppositionsführer riefen die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben und auch das Innenministerium kündigte einen Gewaltverzicht an. Doch die Demonstranten gaben sich unerbittlich. „Wir werden hier nicht sitzen und warten bis wer weiß wann“, schimpfte etwa Andrij Pilkewitsch, einer der Protestierenden, der Barrikaden vor den Polizisten aufbaute. „Wer gewinnen will, muss kämpfen.“

Als Reaktion auf die Gewalt bestellten Deutschland und Frankreich inzwischen die jeweiligen ukrainischen Botschafter ein.

Die Krise in der Ukraine belastet das Verhältnis zwischen Moskau und Brüssel erheblich. Ein für kommenden Dienstag geplanter EU-Russland-Gipfel sei deswegen auf ein informelles Treffen zurückgefahren worden, teilte ein Berater von Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag mit. Auf Drängen Brüssels werde es nur informelle Gespräche bei einem Arbeitsfrühstück und dann eine Pressekonferenz geben, Dokumente würden nicht unterzeichnet, sagte Juri Uschakow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax.

Als Grund hätten die EU-Vertreter die „vielen Probleme“ genannt, die sich in den Beziehungen angehäuft hätten, sagte Uschakow. Er nannte insbesondere die Ukraine als Zankapfel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • T
    toha

    So liebe taz,

     

    ich sah in euch ein durchaus unterstützenswertes Projekt, aber wenn ich lese wie sich eure ukraine "berichterstattung" nicht mehr von welt.de (beispiel springer-rechts) und tagesschau (beispiel staatstragend-mitte) unterscheidet, frag ich mich schon:

     

    warum eigentlich?