piwik no script img

Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnDienstleister am Heiligenstand

Foto: privat

Die Verarschung macht sich lustig und ihren Gegenstand lächerlich. Hingegen ist eine Parodie, wie die Literaturwissenschaftlerin weiß, zwar meistens komisch, manchmal aber auch nicht. J.B.O., die aus rechtlichen Gründen schon lange nicht mehr James Blast Orchestra heißen, sind der Hochkultur darum etwas näher als der Umgangssprache. Denn wirklich witzig sind ihre Nebengesänge und Umdichtungen in der Regel nicht.

Manchmal aber doch. 1995 zum Beispiel, auf der „Explizite Lyrik“. Da machten J.B.O. aus Body Counts Sozialcore-Nummer „Born Dead“ eine Mainzelmännchenparade – aus „Born Asian / Born Jewish / Born Latino / Born poor / Born dead“ wurden die ZDF-Maskottchen: „Born Fritzchen“, Berti, Anton, Edi und so weiter bis zum Hammerschlag: „Born Det“ (das ist der mit der Brille). Lustig ist das, weil man sich im finster-harten Zielpublikum als öffentlich rechtlich sozialisierter Sofagänger outen musste, um das erklären zu können.

Beim ihrem Schema sind J.B.O. bis heute geblieben: Metal- oder Rock-Hits und manchmal auch Mainstream umdichten auf Saufen, Anzüglichkeiten und selbstreferenziellen Metametal: Nicht „Vamos a la playa“, sondern „Geh mer halt zu Slayer / ohohohohoo“. Der Witz (oder besser: die Übereinkunft) liegt natürlich darin, dass Metal eine todernste Sache ist und J.B.O. ihr Sakrileg. Wahrscheinlich sind die Scherzkekse in der Szene auch deshalb so beliebt, weil man irgendwie ahnt, dass ohne Ketzer nichts Heiliges zu haben ist.

Auf dem aktuellen Album, „Wer lässt die Sau raus?“ (AFM Records) ist exakt ein lustiges Lied, wobei der Gag mit dem Titel bereits auserzählt ist: „In meinem Kühlschrank brennt noch Licht“. Folgerichtig funktionieren tut’s aber trotzdem noch immer, weil man schon beim ersten Hören antizipiert und mitsingen kann. Und eingemeindet ist der Blödsinn im Metal ja eh, weil’s ein Alibi für Schlagerlaune ist und eben auch selbst Geschichte geschrieben hat. Das sitzt manchmal unerwartet tief: Als ich zum Beispiel einmal in der J.B.O.-Heimatstadt Erlangen ganz wen anderes interviewen sollte, bekam ich im Kulturzentrum E-Werk keinen geraden Satz voreinander, weil mir von irgendwoher – de profundis – J.B.O. mit Herz ins Hirn sangen. Auf der Melodie von Manowars unsterblichem „Carry on“ nämlich: „Ich weiß noch, wie es anfing / Im E-Werk an der Bar / Ich sagte zum Veit: „Du weißt Bescheid, / auch du wirst jetzt ein Star. / Denn wir machen jetzt ’ne Band auf / Und wir nennen uns J.B.O.“

Tja, so fing das vor genau 30 Jahren an. Und wie es aufhört, ist nach wie vor offen. Aber nur, weil die Sache ungelöst bleibt, ist sie noch lange kein Rätsel. Eher etwas sonderbar Rührseliges, über das sich mehr kaum sagen lässt als vielleicht noch eben: „Prost!“

Sa, 16. 11., 20 Uhr, Schlachthof

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen