Jahresbilanz der Lebensmitteltafeln: Weihnachtsschokolade für die Armen
Die Tafeln versorgen immer mehr Altersarme, manche haben einen Aufnahmestopp ausgerufen. Spenden entsprechen nicht immer dem Bedarf.
Die Zahl der Altersarmen im Rentenalter, die zur Tafel kommen, steige, sagte am Donnerstag in Berlin Jochen Brühl, Vorsitzender des Dachverbandes Tafel Deutschland, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seiner Hilfsorganisation. Etwa jeder vierte Kunde der rund 2.500 Ausgabestellen in Deutschland sei inzwischen im Rentenalter. Vor zehn Jahren war dies erst jeder achte Kunde gewesen. „Die Tafeln sind ein Seismograf für Entwicklungen in der Gesellschaft“, meinte Brühl.
250.000 Tonnen Lebensmittel wurden im vergangenen Jahr ausgegeben, Tendenz steigend. 1,5 Millionen Menschen werden regelmäßig von den Tafeln versorgt. Vor zehn Jahren waren es nur 700.000 Menschen gewesen. 60.000 Ehrenamtliche helfen bei der Tafel, vor zehn Jahren waren es nur halb so viel Helfer. Etwa ein Fünftel der Ehrenamtlichen bezieht selbst Leistungen der Grundsicherung, hieß es am Donnerstag.
Die Systeme der örtlichen Tafeln unterschieden sich, sagte Brühl. Einige Tafeln lassen sich Hartz-IV-Bescheinigungen zeigen und geben Berechtigungskarten aus. Bei anderen wiederum könne jeder als Kunde vorsprechen. Tafeln in der Nähe von Flüchtlingswohnheimen hatten zwischenzeitlich die Ausgabe an Geflüchtete durch spezielle Kartensysteme rationiert. Die Ausgabesysteme hängen von der örtlichen Nachfrage ab. Es gebe auch hier und da Aufnahmestopps für neue Kunden, so Brühl.
Wie die Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, Evelin Schulz, sagte, gingen die Spenden aus den Lebensmittelfilialen zurück. Durch die digitale Erfassung von Lagerbeständen und Verkäufen reduziert sich der Überfluss. Man hole jetzt eher Großspenden ab, etwa aus Regionallagern oder bei Herstellern, und verteile diese dann, so Schulz. „Das können dann mal einige Paletten an Rote Beete im Glas oder große Mengen an Bananenyoghurt sein.“
Das Angebot richtet sich nach den Spenden von Herstellern und Supermärkten, nicht nach dem Bedarf der KundInnen. Das merkt auch Susanne G. „Neulich gab es ganz viel Yoghurt, dann plötzlich wieder gar nicht“, erzählt sie. Vor Kurzem konnte plötzlich jeder Kunde kiloweise Schokolade nach Hause schleppen. Es waren Weihnachtsnikoläuse, die nach dem Christfest niemand mehr kaufen wollte.
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