JOST MAURIN ÜBER DIE AGRARREFORM DER EUROPÄISCHEN UNION : Die EU gibt uns die Wahl
Die Einigung der EU-Agrarminister über die Reform der milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft kann Fortschritte für Umwelt und Gesellschaft bringen. Sie muss es aber nicht. In Deutschland haben das die Wähler bei der Bundestagswahl in der Hand.
Denn eines ist nun immer wahrscheinlicher: dass die EU den Mitgliedstaaten große Spielräume gibt, wie sie künftig die jährlich etwa 40 Milliarden Euro Direktzahlungen verteilen. Jede Regierung wird wohl selbst entscheiden dürfen, ob sie bis zu 15 Prozent dieser bislang einfach nach der Fläche berechneten Subventionen in ökologisch und gesellschaftlich sinnvollere Programme umschichtet. Das könnten zum Beispiel Prämien für Bauern sein, die auf die ökologische Landwirtschaft umstellen oder ihre Ställe besonders tierfreundlich gestalten.
Die Einigung öffnet auch den Weg für mehr soziale Gleichheit in der Agrarpolitik. Den Kompromissen zufolge sollen die EU-Staaten bis zu 30 Prozent ihrer Direktzahlungen in einen Bonus für die ersten Hektare jedes Betriebes umwidmen dürfen. Das könnte das Einkommen kleiner Betriebe erheblich erhöhen. Verteilungspolitisch wäre das sinnvoll, denn kleine Höfe bieten mehr Arbeitsplätze auf dem Land als große durchrationalisierte Unternehmen.
Wenn die EU all das tatsächlich ermöglicht, muss etwa die Bundesregierung diese Optionen ausschöpfen, und zwar vollständig. Unter einer CDU/CSU/FDP-Regierung scheint das ausgeschlossen. Aber weil die EU für die Reform länger braucht als geplant, wird Deutschland die neuen Vorgaben aus Brüssel nun erst nach der Bundestagswahl im September umsetzen. Zu wünschen ist, dass dann andere Parteien ans Ruder kommen – und den Spielraum für eine ökologischere und gerechtere Agrarpolitik nutzen.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 8