: Izetbegović will Unterbrechung der Verhandlungen
■ Arbeit der Vermittler von EG und UNO soll von Außenministern überprüft werden / Clinton diskutiert mit Beratern über Luftwaffeneinsatz in Bosnien
Genf (taz) – Die bosnische Delegation unter Leitung des muslimischen Präsidenten erwägt, die Unterbrechung der laufenden Genfer Verhandlungsrunde zu beantragen. Bei einer Sondersitzung des Lenkungsausschusses der Konferenz auf Außenministerebene soll die Arbeit der beiden Konferenzvorsitzenden David Owen (EG) und Thorvald Stoltenberg (UNO) beurteilt und auf ihre Übereinstimmung mit den auf der Londoner Jugoslawienkonferenz Ende August 1992 festgelegten Prinzipien für die Genfer Verhandlungen überprüft werden.
In einem Antrag für eine Sondersitzung wirft die bosnische Delegation Owen und Stoltenberg vor, daß sie ihren von der Londoner Konferenz erteilten Auftrag nicht wahrnehmen und inzwischen „offen im Verein mit Serben und Kroaten gegen die Muslime kämpfen“. Notfalls müßten die beiden Vermittler ausgewechselt werden.
Der bosnische Außenmininister Haris Silajdzić erklärte in einem Interview, die Londoner Konferenz habe „festgelegt, daß die Teilung Bosniens nicht in Frage“ komme, daß „ethnische Säuberungen unmenschlich“ seien und daß „der Völkermord gestoppt werden müsse“. Doch inzwischen habe das „Appeasement der internationalen Staatengemeinschaft gegen Aggression und Völkermord in Bosnien Früchte getragen“. Die Genfer Verhandlung solle dazu „dienen, diese Agression zu legalisieren“.
Bei einer ersten Plenumsrunde aller Verhandlungsbeteiligten hatte Izetbegović den Vorschlag der Bosnier für die Erhaltung des Staates im Rahmen einer Föderation erläutert. Bei Serben und Kroaten stieß er auf eisiges Schweigen.
Den stereotypen Verlautbarungen von Konferenzsprecher John Mills über angebliche „Fortschritte“ bei den Verhandlungen widersprach Silajdzić entschieden. Die Arbeit der Konferenzbeobachter wird erschwert durch eine Nachrichtensperre, die auf Betreiben von Owen verhängt wurde. Journalisten werden von Sicherheitskräften mit äußerst ruppigen Methoden an der Berichterstattung gehindert.
In der amerikanischen Regierung wird unterdessen erneut über einen Einsatz der Luftwaffe zum Schutz der UNO-Truppen in Bosnien diskutiert. Ein als „dringend“ eingestuftes Treffen Clintons mit seinen Beratern geht auf eine formelle Bitte Frankreichs zurück. Französische Blauhelme waren am Dienstag erneut von serbischen Truppen beschossen worden. An dem Treffen wird neben Verteidigungsminister Les Aspin auch Außenminister Warren Christopher teilnehmen. Andreas Zumach
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