: Italiens Tränen sind verbraucht
Heute heißt es Abschiednehmen! Zum letzten Mal haben wir gemeinsam im Frühstücksraum unserer uns inzwischen ans Herz gewachsenen kleinen Pension gesessen und den Tag mit Capuccino und Eiern von glücklichen Hühnern (Bodenhaltung) begrüßt. Als sentimentale Abschiedsgeste haben uns die Kellner mal wieder Salz in die Zuckerdose gefüllt, ein Witz, über den hier niemand mehr lachen kann.
Nach ihrem unglücklichen Ausscheiden sind die Italiener erstaunlich schnell zur Tagesordnung übergegangen. Überall im Ort ließ man die Grün-weiß-roten Fahnen durch gelb-blau -gestreifte Hellas Verona-Flaggen ersetzen, und im allgemeinen tut man so, als ob es Italien '90 gar nicht gegeben hätte.
Nur das Gejammer der Hotel- und Touristikbranche in den Medien über katastrophale finanzielle Verluste, mit denen man nie gerechnet hatte, erschwert den Verdrängungsprozeß beträchtlich. Um diese Verluste ein wenig aufzufangen, versuchen manche Mittel- und Kleinbetriebe, die nun mit dem Rücken zur Wand stehen, zu retten, was zu retten ist.
So wunderten wir uns nicht, als auf der Abschlußrechnung des „Concordia“ Posten auftauchten, auf die wir uns beim besten Willen keinen Reim machen konnten. Um die Abschiedsstimmung nicht noch mehr zu trüben, hielten wir uns an das Motto „Zahlen und Fröhlichsein“! Und verabschiedeten uns mit Umarmung und Bruderkuß. Ganz sicher wären auch noch Tränen geflossen, wenn die nicht schon alle beim Ausscheiden Italiens verbraucht worden wären.
Wir stiegen in unser taz-Mobil und drücken seitdem das Gaspedal durch Richtung Bari und Rom. Arrivederci Concordia.
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