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Italiens Stuttgart 21200 Verletzte bei Bahnprotesten

Molotow-Cocktails, Steine und Ammoniak als Waffen: Mindestens 188 Polizisten und 15 Demonstranten wurden verletzt, als wütende Bürger die Baustelle einer Trasse im Norden Italiens besetzten.

Vermummt stürmten mehrere Demonstranten die Baustelle. Bild: reuters

CHIOMONTE afp/rtr | In Norditalien sind Proteste gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse am Sonntag eskaliert. Mindestens 188 Polizisten und etwa 15 Demonstranten wurden nach Polizeiangaben verletzt, als wütende Bürger die Baustelle einer Trasse für den französischen Schnellzug TGV in Chiomonte nahe Turin besetzten.

Demonstranten und Polizisten lieferten sich zwei Stunden lang schwere Zusammenstöße, in deren Verlauf die Sicherheitskräfte mit Molotow-Cocktails, Steinen und mit Ammoniak gefüllten Flaschen beworfen wurden. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mindestens fünf Menschen wurden den Angaben zufolge festgenommen. Am vergangenen Montag waren fast 30 Menschen bei Zusammenstößen verletzt worden, darunter 25 Polizisten.

Rund 6000 Menschen demonstrierten laut Polizeiangaben am Sonntag zunächst friedlich an der Baustelle eines Tunnels für die Schnellstrecke im Val die Susa in der Nähe von Turin. Die Organisatoren sprachenvon zehntausenden Menschen. Im Verlaufe des Protestes kam es dann an mehreren Stellen zu Zusammenstößen. Einigen Teilnehmern sei es gelungen, die Bauzäune zu überwinden, teilte die Polizei mit. Viele Demonstranten, die in die Zusammenstöße verwickelt gewesen seien, hätten den Protest für Gewalt ausgenutzt.

Aktivisten aus dem Ausland angereist

Die Polizei kritisierte die Teilnahme von rund 800 zum Teil aus dem Ausland angereisten linksradikalen Aktivisten an dem Protest. 300 von ihnen seien eigens aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Spanien gekommen. Am Sonntagmorgen strömten die Teilnehmer zu Fuß zu der Demonstration. Am Nachmittag stürmten dann mehrere hundert Teilnehmer die Baustelle.

Die Trasse liegt auf einer Strecke, die die französische Stadt Lyon mit dem norditalienischen Turin verbinden soll. Italien und Frankreich hatten 2001 den Bau einer TGV-Strecke zwischen den beiden Städten vereinbart. Dadurch soll etwa die Fahrt von Paris nach Mailand von sieben auf vier Stunden verringert werden. Die Bauarbeiten in Chiomonte im Susa-Tal haben erst vor einigen Tagen begonnen. Dort soll ein Tunnel entstehen.

Italiens Präsident Giorgio Napolitano verurteilte die Gewalt gegen die Sicherheitskräfte und erklärte, es werde nicht zugelassen, dass gewalttätige Teilnehmer die Proteste infiltrierten. Die Bewohner des Alpen-Tales wehren sich mit allem Nachdruck gegen das 15 Milliarden Euro teure Projekt, das aus ihrer Sicht der Umwelt schadet und die Landschaft verschandelt. Dabei werden sie zunehmend von überregionalen Gruppen unterstützt. Die Bandbreite reicht dabei von Anarchisten bis zu Katholiken.

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12 Kommentare

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  • E
    egal

    an Xandi:dein Kommentar ist ein Trollkommentar, auf den zum Glück-inhaltlich-niemand drauf eingeht.Auf Arte TV ' Global' gab es übrigens mal nen Beitrag zu dem Textinhalt, im Archiv ist er bestimmt noch zu finden.

  • W
    wolfi

    "Rund 6000 Menschen demonstrierten laut Polizeiangaben am Sonntag zunächst friedlich an der Baustelle eines Tunnels für die Schnellstrecke"

     

    Die Demonstranten demonstieren also dafür, dass der Bau weitergeht, wirklich? Oder hab ich da was falsch verstanden?

     

    Macht nicht viel Sinn für Bauprojekte zu protestieren, bei denen die Vollendung eh vorgesehen ist. Dagegen würde schon mehr Sinn machen.

  • B
    @blindguy

    Sie schreiben "Es gibt in Stuttgart keine aus dem Ausland angereisten Demonstranten"

     

    Und wenn es die gäbe, würden sie die dann hochkant von der Demo werfen? Wie spießbürgerlich provinziell und ich möchte ja fast sagen "deutsch" sind Sie eigentlich bei den S21-Protesten?

  • I
    inti

    jetzt ist die zeit um die bahn auszubauen - europaweit. es gilt sich vorzubereiten auf die zeiten teuren öls, europa muss weg vom auto und hin zur bahn. wer dagegen protestiert macht sich zum handlanger der großindustrie ... mit autos werden in deutschland jährlich über 100 mrd. umgesetzt ... dazu kommen reperatur und benzin ... etwa 200 mrd. geben die bundesbürger für automobilie mobilität aus. die deutsche bahn macht gerade mal 26 mrd. umsatz und wird bekämpft und behindert. wir sollten froh sein einen solch leistungsfähigen staatskonzern zu haben. ihm ein modernes infrastrukturnetz zur verfügung stellen und die schiene fördern. nur so können wir unsere klimaschutzziele erreichen.

     

    ps. finde es toll, dass das spamschutzwort "bahn" ist

  • R
    RedHead

    Die Qualität der Proteste im südlichen Europa steigt offenbar. Sollte jetzt nach und nach der Wille nach Umsturz auch nach Europa kommen?

    Spätestens in Deutschland hört das dann wohl auf, hier sind Revolutionen nicht genehmigungsfähig.

    Wir haben übrigens momentan kein geltendes Wahlrecht, dies wäre ein super Zeitpunkt, die Regierung zum Rücktritt zu zwingen.

  • R
    rugero

    Die Stimmung schlägt gerade um in Italien. Nachdem sich das Volk von Berlusconi und Konsorten jahrelang hat an der Nase herumführen lassen, macht sich nun an allen Ecken die Unzufriedenheit Luft.

     

    Viele Großprojekte wurden in der Berlusconi-Aera in erster Linie zum Nutzen der mit dem Regierungschef verknüpften Industrien geplant und durchgeführt. Das wird langsam auch dem Dümmsten klar.

     

    In der Zeit erscheint gerade eine Artikelserie von Roberto Saviano:

    http://www.zeit.de/themen/serie/index?q=italienische-lektionen

    Er erklärt sehr schön was hier abläuft.

  • B
    blindguy

    NEIN! Die Proteste lassen sich nicht vergleichen. Die K21 Bewegung war immer friedlich, kreativ und weltoffen. Das ist (auch anderslautender Medienberichten) immernoch so. Es gibt in Stuttgart keine aus dem Ausland angereisten Demonstranten und die einzigen, die vermummt sind, sind die Polizisten. Also bitte liebe taz, kopiert nicht von Polizei und Spiegelonline und hört auf die Protestbewuegung zu diskreditieren!

  • T
    Tania

    Wäre schön, wenn die Taz nicht fast ausschließlich die Angaben von Polizei und Regierungen wiedergibt, sondern selbst mal recherchiert und auch die Wahrnehmung der Demonstranten, die immerhin ehrenamtlich demonstrieren, also keine Gewinninteressen haben, darstellt. Für mich sind diese glaubwürdiger, besonders nach Stuttgart 21 und dem 30.9.2010 weiß man ja, was von Polizeiangaben zu halten ist. Bei Polizisten gilt als Verletzung ein blauer Fleck, wenn sie über ihre Füße stolpern und bei Demonstranten müssen diese schon Krankenhausreif geprügelt werden, damit diese gezählt werden.

  • I
    Ilmtalkelly

    Protestler, aller Länder veeinigt euch !

     

    Das ist Europa !

  • E
    e.goldman

    "Die Polizei kritisierte die Teilnahme von rund 800 zum Teil aus dem Ausland angereisten linksradikalen Aktivisten an dem Protest."

     

    - Weil es illegitim ist, dass Menschen aus anderen Teilen Europas gegen Infrastrukturporjekte protestieren, die nicht in ihren Heimatländern realisiert werden? Die Europäischen Entscheidungsträger forcieren in ihren Verkehrspolitiken ein Hochgeschwindigkeitsnetz transeuropäischer Netzwerke, bei der Polizei wundert man sich dann aber, dass Protestnetzwerke ebenfalls grenzüberschreitend arbeiten. Hä?

    Eine seltsame Bürgerrechtsauffassung haben die italiensichen Sicherheitsbehörden da.

  • A
    ama.dablam

    Wütende Bürger? Erst denkt man, wie verniedlichend. aber es stimmt, sie haben gewütet.

     

    Da hofft der "Arsch hoch"-Kommentator sicher auf einen Reimport, der ihn ja nix kostet...

  • X
    Xandi

    Soviele Fortschrittsgegener und Angstbürger. Statt sich dem Neuen hinzugeben, geben sie ihrer Italian Angst vor der lächerlichen Umweltzerstörung Ausdruck. Dabei ist die Angst ja wohl medial für Deutschland reserviert. Was fällt denen da unten nun ein?