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■ Italiens Regierung will Prozeßflut per Dekret eindämmenDer schlechteste aller Wege

Eigentlich hatte man dem neuen Justizminister Giovanni Conso zugetraut, die immensen Korruptionsskandale in besonders korrekter Weise zu bewältigen: Als Chef des Verfassungsgerichts hatte er sich mit zahlreichen Urteilen vor allem über die Frage der Gewaltenteilung als unbeugsamer Demokrat hervorgetan. Von ihm stammt auch eine der schärfsten Ermahnungen an die Politiker, Probleme nicht auf dem Wege schnell improvisierter Sonderdekrete anzugehen, sondern stets die reguläre parlamentarische Prozedur zu bevorzugen.

Nun aber nimmt Conso, kaum zwei Wochen im Amt, genau zu jenem Mittel Zuflucht, das er immer verdammt hatte: Nicht über eine reguläre parlamentarische Regelung will er mit der Flut juristischer Verfahren wegen Bestechung, Hehlerei und Erpressung und wegen Verstosses gegen das Parteienfinanzierungsgesetz fertigwerden, sondern mit Hilfe eines eilig durchgepeitschten Dekretes. Es bekommt nach italienischem Recht sofort Gesetzeskraft und verfällt nach drei Monaten, wenn das Parlament nicht nachträglich zustimmt, kann aber noch einmal um ein Vierteljahr verlängert werden. Im Klartext: Auch wenn Abgeordnete und Senatoren dann aufgrund des sich ankündigenden Volkszorns Nein sagen, sind erst mal alle Fälle erledigt, die in diesem halben Jahr weggemauschelt werden. Und daß da gemauschelt wird auf Teufel komm raus, wird niemand bezweifeln – alleine schon die nun eröffnete Möglichkeit des patteggiamento, der prozeßlosen Einigung von Staatsanwaltschaft und Angeklagten, wird dafür sorgen.

Man braucht auch nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, welche Fälle da ganz hurtig beigelegt werden – nicht umsonst haben es plötzlich auch jene Parteiführer eilig, ihre Immunität aufheben zu lassen, die sich dem bisher vehement widersetzt hatten. Wer zuerst kommt, wird zuerst amnestiert.

Auf der Strecke bleibt genau das, was die Ermittlungen im Rahmen der Aktion Mani pulite (Saubere Hände) dem gebeutelten Italien hätten zurückgeben sollen: den Glauben, daß die Selbstreinigungskräfte der ersten italienischen Republik ausreichen, das korrupte System durch strikte Einhaltung der demokratischen Regeln und notfalls auch durch das Wegsperren aller kriminellen Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite wieder auf die Beine zu stellen. Werner Raith, Rom

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