Italienische Zuwanderungspolitik: Absurdes Katz-und-Maus-Spiel

Die Ankunft von ein paar hundert Bootsflüchtlingen inszeniert Italiens Regierung als Notstand - dabei hatte Prodi die Abkehr von Berlusconis Zuwanderungspolitik versprochen.

"Das ist kein juristischer, sondern ein politischer Prozess", sagt Kapitän Stefan Schmidt (l.), rechts: Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel. Bild: ap

ROM taz Von Juni 2008 an wird auf der süditalienischen Insel Lampedusa eine mächtige Skulptur die Bootsflüchtlinge empfangen: ein acht Meter hohes Tor, offen natürlich, um ihnen zu signalisieren, sie seien willkommen.

Sind sie es? Es steht zu fürchten, dass die Errichtung des Tors von Lampedusa die einzige Änderung bleibt, die Italiens Flüchtlingspolitik im nächsten Jahr erfährt. Seit Frühjahr 2006 ist Ministerpräsident Romano Prodi mit seiner Mitte-links-Koalition im Amt, und eines der Wahlversprechen hieß: weg von Berlusconis Ausländerpolitik, die die Grenzen dicht machen und die Illegalen aus dem Land treiben wollte. Unmenschlich, irrational, nur geeignet, Ausländer in die Illegalität zu treiben - so hatten die Vorwürfe von der Linken gegen das rechte Ausländergesetz von 2002 gelautet. Und es war Roms Bürgermeister Walter Veltroni, heute Chef der neu gegründeten Mitte-links-Allianz, der 2004 den 37 Bootsflüchtlingen von der "Cap Anamur" die Aufnahme in Rom angeboten hatte, ehe Berlusconi sie schließlich aus dem Land warf.

Doch das rigide Ausländergesetz ist noch immer in Kraft. Ins Land darf nur, wer eine Arbeitsplatzzusage hat - und darf auch nur so lange bleiben, wie er oder sie Arbeit hat. Mit der Realität hat dieses Gesetz wenig zu tun. Es gewährt Quoten, 170.000 im letzten Jahr, 170.000 auch in diesem Jahr, für Hausangestellte, für Bauarbeiter vor allem. Doch die Menschen, die dann ihre "Einreise" beantragen - gerade läuft wieder solch eine Antragswelle -, sind alle längst im Land, illegal eingereist natürlich.

Sie sind da, weil sie gebraucht werden; ihre Einreise aber organisiert Italien als Katz-und-Maus-Spiel. Wer es schafft, bis zur nächsten Legalisierungsaktion nicht polizeilich aufzufallen, darf auf eine Aufenthaltsgenehmigung hoffen. Wer aber aufgespürt wird, bekommt die Ausweisung, zehn Jahre Einreiseverbot, bei Zuwiderhandeln eine Gefängnisstrafe. Fast 4 Millionen Ausländer leben mittlerweile legal im Land - sie sind so gut wie alle illegal gekommen.

Ihre Ankunft inszeniert Italien gern als emergenza, als Notstand, der jeden Sommer wieder auf der Insel Lampedusa ausbricht, wenn ein paar hundert Bootsflüchtlinge binnen weniger Tage eintreffen. Gut 20.000 sind es übers Jahr, die mit den Booten anlanden, höchstens 15 Prozent derer, die nach Italien gelangen - an die 70 Prozent nämlich reisen einfach mit einem Touristenvisum ein. Dennoch konzentriert die italienische Regierung ihre Energien auf die Flüchtlingsabwehr an der Seegrenze.

Unter Berlusconi gehörte dazu eine Politik der engen Zusammenarbeit mit Gaddafis Libyen. Rückschaffung der Flüchtlinge, Aufrüstung der libyschen Polizei, Hilfen zur Schaffung von Abschiebelagern auf libyschem Boden waren Teil des auch von der EU unterstützten Programms. Und sie sind es noch immer. Im Herbst war Innenminister Giuliano Amato in Tripolis, danach seine für Immigration zuständige Staatssekretärin und schließlich Außenminister Massimo DAlema. Italien wünscht, im Verein mit EU-Kommissar Franco Frattini, dass Gaddafi den Frontex-Schiffen der EU erlaubt, die Gewässer vor Libyens Küste zu kontrollieren und die Flüchtlingsboote gleich dort abzufangen. Damit nicht genug: An Libyens Südgrenze soll mit italienischer und europäischer Hilfe ein elektronisches Grenzkontrollsystem installiert werden.

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