Italienische Piratenpartei: Diktator Grillo
Kritik von einem Regionalabgeordneten am Führungsstil Beppe Grillos stürzt die italienische Bewegung M5S in eine Krise. Die Anhänger sind gespalten.
ROM taz | Sie war mit sensationellen Wahlerfolgen, mit stetig steigenden Umfragewerten das politische Novum Italiens im Jahr 2012: die „Movimento 5 Stelle“ (M5S – „5-Sterne-Bewegung“) unter dem Komiker Beppe Grillo. Doch jetzt hat M5S die erste schwere Krise zu bewältigen, ausgelöst durch schwere Vorwürfe des Regionalabgeordneten Giovanni Favia gegen die Spitze der Bewegung.
Favia war 2010 als einer von zwei Kandidaten ins Regionalparlament der Emilia Romagna gewählt worden. Jetzt rechnete er in einem heimlich von einem TV-Journalisten mitgeschnittenen vertraulichen Hintergrundgespräch mit Grillo ab. Die Bewegung werde diktatorisch geführt, so sein Hauptvorwurf.
Im Zentrum seiner Attacken steht Grillos großer Einflüsterer, der Webdesigner Gianroberto Casaleggio. Casaleggio tritt öffentlich nie in Erscheinung – doch er managt mit seiner Firma die Website von Beppe Grillo, die zugleich auch die Plattform der „5-Sterne-Bewegung“ ist.
„Leck-mich-Tag“
Anders als die deutschen Piraten – mit ihnen hat M5S die hohe Netzaffinität und die Polemik gegen die „traditionellen“, als völlig undurchlässig wahrgenommenen Parteien gemein – entstand die italienische Bewegung unter der charismatischen Anführerschaft Beppe Grillos. Der machte im September 2007 erstmals Furore, als er zum „Vaffa-Day“, zum „Leck-mich-am Arsch-Tag“, in zahlreichen italienischen Städten Zehntausende, vor allem junge und gut gebildete Anhänger zu Kundgebungen gegen die „Kaste“ der alten Politiker auf die Straße brachte. Seitdem gab es kommunale Erfolge, die im Mai 2012 im Sieg bei den Bürgermeisterwahlen von Parma gipfelten. In aktuellen Umfragen liegt M5S bei etwa 15 Prozent.
Jetzt wirft Favia Grillo vor, er überlasse dem „erbarmungslosen“ Casaleggio in Wirklichkeit die Definition aller Strategien der Bewegung, die von oben diktatorisch über die Website durchgesetzt würden. Dissens sei nicht vorgesehen – und Casaleggio werde wohl auch die Kandidaten für die Parlamentswahlen im Frühjahr 2013 aussuchen.
Seitdem ist die Grillo-Gemeinde im Web gespalten. Viele verlangen den Rückzug Favias. Andere aber fordern, die Bewegung müsse endlich zu transparenten Entscheidungsmechanismen finden. Grillo selbst zeigte sich am Montag nicht besonders zum Dialog bereit. In einem Blog-Eintrag schrieb er, die Tür, vor der Favia stehe, sei nicht verschlossen: eine Aufforderung an den Dissidenten, er solle gehen.
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