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: Italienische Komödie über ein Großmaul, das zum Migranten wird

Dvdesk: „Tolo, Tolo“ (Italien 2020). Regie: Luca Medici. Die DVD ist ab rund 9 Euro im Handel erhältlich.

In Italien ist Checco Zalone weltberühmt. Als Komiker, Sänger, Parodist von Politikern. Und als Schauspieler mit Glatze, leichtem Embonpoint und Durchschnittsgesicht, der sich die Filme und Rollen auf den Leib schreibt. Sich heißt in dem Fall: der komischen Figur Checco Zalone, denn mit bürgerlichem Namen heißt er ganz anders, Luca Medici nämlich. Sein vorletzter Film, italienischer Titel „Quo Vado?“, lief in Deutschland unter dem bedenklichen Titel „Der Vollposten“ im Kino, wurde da aber kein großer Hit.

Ganz anders als in der Heimat, da war er mit Einnahmen von mehr als 70 Millionen Euro der finanziell erfolgreichste italienische Film aller Zeiten. Er erzählt von einem Muttersöhnchen (namens Checco Zalone, klar), auf Lebenszeit verbeamtet, der, weil er obstinat keine Abfindung nimmt, sondern auf der Festanstellung beharrt, zur Strafe in einer Polarstation landet. Das ist schon recht lustig, hier und da nicht ­sonderlich korrekt, dick aufgetragen, alles in allem mit dem Aufspießen von Italienklischees immer etwas schnell zufrieden: nicht nur in Sachen Erfolg, sondern auch in Sachen Humor vergleichbar mit dem „Sch’tis“-Phänomen.

Zalones jüngster Film, „Tolo, Tolo“, in Deutschland nun nur mit DVD-Start, war in seiner Heimat wiederum sehr, wenn auch nicht ganz so erfolgreich, hatte mit dem Start im Januar 2020 noch dazu großes präpandemisches Glück – am Ende landete er sogar in den Top 30 der weltweiten Box-Office-Charts.

Die Erwartungen waren hoch, schon weil Zalone (als Luca Medici) erstmals selbst auch Regie führte, das Drehbuch hat er mit Paolo Virzi, einem der renommiertesten italienischen Regisseure und Drehbuchautoren, verfasst. Der Vertrieb hatte vor dem Start die Spannung mit einer ungewöhnlichen Kampagne gesteigert, denn um den genauen Inhalt des Films wurde zunächst ein großes Geheimnis gemacht.

Es gab keinen Trailer, stattdessen nur ein Werbemusikvideo zu einem Song namens „Immigrato“ (der wurde zum Hit), in dem man (wie aber erst hinterher klar wurde) kein einziges Bild aus dem Film zu sehen bekam.

Zalone wusste warum, denn mit „Tolo, Tolo“ geht er politisch noch einmal ganz anders aufs Ganze als mit dem bisherigen Werk. Sein Held ist ein apulischer Vollpfosten, ein Großmaul und Steuerbetrüger, der überschuldet und von Behörden wie Schuldnern gehetzt als Kellner in ein Feriendorf in einem nicht genau bezeichneten afrikanischen Land flieht. Durch eine ISIS-Attacke gerät er allerdings als einziger Weißer in einen Flüchtlingstrek in Richtung Europa – nach einem kurzen Abstecher ins Dorf seines Italienisch sprechenden, den Neorealismus verehrenden Kollegen Oumar (Souleymane Sylla).

Checco ist, wo er geht und steht, der Inbegriff eines selbstbezogenen Europäers ohne Empathie und Ahnung von irgendwas, zwischendurch singt er oder bekommt, besonders unangenehm, Faschismusanfälle, da brüllt der Geist des Duce, der in ihn fährt, aus ihm heraus.

Checco ist, wo er geht und steht, der Inbegriff eines selbstbezogenen Europäers ohne Empathie und Ahnung von irgendwas

Pointen soll man, es ist eine Komödie, nicht verraten. Sie sind schwarz bis tiefschwarz, sitzen genau und gehen tief, und zwar ausschließlich auf Kosten des weißen Ignoranten Checco Zalone. Statt es einfach gut ausgehen zu lassen, was das Genre zwar fordert, was aber das Thema nicht zulässt, fliegt der Film am Ende eine Schleife ins Meta und dann in eine Richtung einer wirklich seltsamen Elefanten- und Storchanimation.

Das ist grotesk, vielleicht auch nicht wirklich gelungen, aber es spricht sehr für Zalone, dass er auf bündigen Abschluss der Geschichte verzichtet. Bei der italienischen Rechten kam „Tolo, Tolo“ mit seiner ohne den leisesten Abstrich einwanderungsfreundlichen Botschaft gar nicht gut an. Es ist eine Freude, dass es diesen Film gibt. Ekkehard Knörer