Italienische Juristin über Flüchtlinge: „Italien ist nicht zumutbar“
300 Afrikaner flüchteten vor dem Libyen-Krieg über Lampedusa nach Hamburg. „Völlig legitim“, findet die römische Juristin Loredana Leo.
taz: Frau Leo, die rund 300 Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ haben in der Regel einen gültigen Aufenthaltstitel für Italien. Warum können Sie nicht dorthin zurück?
Loredana Leo: In Italien ist die Situation selbst für anerkannte Flüchtlinge nicht zumutbar. Sie werden vollständig sich selbst überlassen. Es gibt überhaupt keine soziale Inklusion, keine Sozialleistungen, kein Versorgung, gar nichts. Wenn sie zurück kommen, müssen sie auf der Straße leben wie zuvor - oder in besetzte Häuser ziehen. Auch ökonomisch gibt es keinerlei Perspektive für sie.
Sie sind aber von Italien als Schutzbedürftige anerkannt. Erwächst daraus kein Anspruch auf Sozialleistungen?
In der Praxis eben nicht. Sie kamen während der Hochzeit des Libyen-Krieges. Damals hat Italien mit Notfallgeldern Auffangzentren eröffnet. Dort gab es immerhin einen Schlafplatz und Essen. Die wurden aber nach knapp zwei Jahren zugemacht. Dann standen sie auf der Straße, wie andere anerkannte Flüchtlinge in Italien auch.
Das bedeutet, ihre Lebenssituation hat sich nach der Anerkennung verschlechtert?
Ja.
Droht Ihnen in Italien eine Abschiebung in ihre Heimatländer?
ist Anwältin bei der Migrantenrechtsoragnisation ASGI (Associazione Studi Giuridici sull'Immigrazione) in Rom. Am Wochenende war sie in Hamburg um die Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ zu beraten.
Vorerst nicht. Allerdings ist ihre Aufenthaltserlaubnis für Italien befristet und es ist nicht sicher, dass sie verlängert wird. Die meisten der Flüchtlinge haben im November oder Dezember vergangenen Jahres einen Titel bekommen.
Mittelfristig könnten Sie also doch abgeschoben werden?
Ja.
Wie konnten sie nach Hamburg kommen?
Sie allen haben mit ihrer Anerkennung als Schutzbedürftige Schengen-Visa erhalten. Das bedeutet, sie dürfen innerhalb der EU reisen, sich aber weder niederlassen, noch Sozialleistungen außerhalb Italiens beantragen.
Deutsche Politiker lehnen es mit Verweis auf die Dublin II-Richtlinie der EU ab, ihnen ein Aufenthaltsrecht zu geben.
Die Dublin II-Richtlinie greift nicht, weil sie ja längst einen Asylantrag gestellt und das Verfahren durchlaufen haben. Das Problem ist, dass Italien sich hinterher nicht mehr um sie kümmert. Sie fordern deshalb in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz zu bekommen. Das wäre rechtlich möglich.
Warum sollte Deutschland ihnen diese Erlaubnis erteilen?
Das europäische Asylsystem schreibt den Menschen vor, wo sie sich integrieren sollen. Unter den gegebenen Umständen, ist eine Integration in Italien aber nicht möglich. Deswegen sind sie nach Deutschland gekommen. Ich halte das für völlig legitim. Sie haben hier Kontakte aufgebaut, sie haben hier ganz andere Möglichkeiten als in Italien, könnten sich integrieren und endlich wieder eine Perspektive für ein würdiges Leben gewinnen, die durch den Libyen-Krieg zerstört wurde.
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