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Ist die Insel noch zu retten?

■ Gefangene von Santa Fu: Betreuung statt Verwaltung

Die Gefangenen von Santa Fu wollen ihren Lebensraum soweit wie möglich erhalten und ausbauen. „Fuhlsbüttel ist im bundesdeutschen Vollzug noch eine Insel, auf der es manchmal etwas freier zugeht“, sagten Insassenvertreter der Haftanstalt gestern vor der Presse. Jetzt sehen die Gefangenen Freiräume, wie „Freigang“ im Haus und regelmäßige Auftritte von Künstlern, gefährdet.

„Reißerische Berichte über das angeblich mafiose und drogendurchsetzte Innenleben von Fu sowie die von Hamburg aufgekündigte Vollzugsgemeinschaft mit Bremen und Schleswig-Holstein, lenken von den wirklichen Problemen im geschlossenen Strafvollzug ab und schaffen neue“, erklärte Armin Hockauf, Vorsitzender der Interessenvertretung. Die Gründe für die wachsende Verelendung auch hinter den Knastmauern lägen im vorgegebenen Alltag der Gefangenen.

Da Hamburg nun alle Gefangenen selbst unterbringt, ist der „Durchlauf“ in Santa Fu um das Dreifache gestiegen. Auf Kosten der Langzeitgefangenen: „Die Kurzstrafer bringen Unruhe in den Knast, zumal viele drogenabhängig sind“, sagt Armin Hockauf. 1992 waren es 750 Ab- und Zugänge - bei einer Durchschnittsbelegung von 520 Personen. Davon müssen 100 Insassen drei Jahre und länger sitzen, 280 nur bis zu einem Jahr. „Durch den damit verbundenen Verwaltungsaufwand ist eine vernünftige, personenbezogene Arbeit unmöglich.“

Die Gefangenen fordern deshalb eine umfassende Betreuung für drogenabhängige Insassen: Methadon-Programm, Spritzentausch. Außerdem eine tarifliche Entlohnung und Einbeziehung in die Renten- und Krankenversicherung. „Im Moment beträgt der durchschnittliche Monatsverdienst 120 Mark. Statistisch hat aber jeder Insasse einen Schuldenberg von 45.000 Mark abzutragen.“

Außerdem müsse die aus „politischem Opportunismus betriebene restriktive Vollzugslockerung“ aufgegeben werden. Denn: „Wer ohne Übergangsvollzug und Entlassungsvorbereitungen in das gleiche soziale Abseits entlassen wird, aus dem heraus er straffällig geworden ist, der kommt beinahe sicher wieder.“

Torsten Schubert

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