: Ist das Finanzzentrum noch zu retten?
In Panama gibt es wieder Dollar / Großer Run auf die Banken ist ausgeblieben / Off Shore-Transaktionen nehmen zu / Heimliche Zweitwährung belebt das Geschäft ■ Aus Panama Ralf Leonhard
Seit dem 18.Juli dürfen die Panamenier die Hälfte ihrer Sichteinlagen bis zu einem Höchstbetrag von 50.000 Dollar abheben. Nach der Schließung der Banken Anfang März hatten sie lange Zeit überhaupt keinen Zugriff auf ihre Guthaben. Die jüngst von Mario Diego, dem Präsidenten der Bankenkommission bekanntgegebene Entscheidung, bestätigt, daß sich Panamas Finanzwelt langsam erholt. „Vor einigen Wochen dachte man, der Schaden für das Finanzzentrum Panama wäre unheilbar“, urteilt Eduardo Lasso Valdes, der Präsident der panamenischen Bankenvereinigung, „aber jetzt sind die Banken seit acht Wochen wieder offen und es hat keinen Skandal gegeben.“ Die von den USA geschürte politische Krise, die das Land am Kanal seit mehr als einem Jahr heimsucht, hat das Vertrauen des Kapitals in das Steuer- und Finanzparadies erschüttert. Der völlige Zusammenbruch des vitalen Wirtschaftszweiges ist jedoch ausgeblieben. Optimisten rechnen mit einer langsamen Wiederbelebung.
„Wir akzeptieren Regierungsschecks“, heißt die Parole mit der derzeit viele Geschäfte in Panama um Kunden werben. Manche bieten noch mehr: „Wir akzeptieren Regierungsschecks und geben Wechselgeld in bar.“ Bargeld ist eine Ware, die erstmals in der Geschichte des Landes knapp geworden war. Am 4.März hatte die Bankkommission der Regierung die Schließung der Banken verordnen müssen, um deren Zusammenbruch zu verhindern. Der Anlaß: Der Opposition war es gelungen, über das renommierte Anwaltsbüro Porter & Arnold in Washington, die Guthaben von 50 Millionen Dollar der panamenischen Nationalbank in den USA einzufrieren.
Die Regierung war an ihrer verwundbarsten Stelle getroffen, denn die Liquiditätsreserven der Nationalbank hatte sie zur Deckung des Haushaltsdefizits herangezogen. Über Nacht standen die Panamenier ohne Bargeld da. Ein gleichzeitig von den Unternehmern organisierter Generalstreik brachte die Wirtschaft in den Monaten März und April zum Erliegen und die Bevölkerung an den Rand der Hungersnot.
Die Maßnahmen verfehlten ihr Ziel: die Regierung und Armeechef Noriega hielten sich im Sattel. Den Mobilisierungen der Rechtsopposition ging die Luft aus, als auch Reagans Team in seinen Pressionen gegen Noriega zurückstecken mußte. Am 18.April konnten die Banken wieder aufsperren - allerdings nur, um neue Einlagen entgegenzunehmen. Seit 9.Mai dürfen die Kunden auch wieder Geld abheben. Vorerst nur von den neuen Einlagen, von den alten Sichteinlagen anfangs nicht mehr als 25 Prozent, jetzt 50 Prozent. Die gebundenen Depositen bleiben bis auf weiteres zur Gänze eingefroren. Die Privatkunden haben erstaunliche Disziplin bewiesen: der große Run auf die Banken ist ausgeblieben. Und nach Auskunft der Bankenvereinigung hat kaum ein Institut angekündigt, es werde seine Lizenz für das Lokalgeschäft zurücklegen. Das große Geschäft, nämlich der internationale Geldverkehr, die sogenannten „off-shore„-Transaktionen, wird von der Krise sowieso nicht direkt betroffen. Das liberale Bankengesetz von 1970 gewährt den Geldinstituten für das „off-shore„ -Geschäft nicht nur völlige Steuerfreiheit sondern gibt dem Staat auch keinerlei Kontrollrechte über die Buchhaltung ausländischer Betriebe. Mit den Einnahmen, die das internationale Finanzzentrum dem Lande in den siebziger Jahren bescherte, konnte General Omar Torrijos einst einen Teil seines engagierten Sozialprogramms finanzieren.
Was die über hundert ausländischen Banken mehr beunruhigt als die politische Krise, ist das Gemunkel über die Herausgabe einer eigenen Währung. Panama hat kein eigenes Papiergeld, ja sich sogar in allen bisherigen Verfassungen verpflichtet, auf dieses zu verzichten. Der US-Dollar, der hier aus patriotischen Gründen Balboa genannt wird, zirkuliert frei. „Die Herausgabe einer panamenischen Währung wäre reiner Wahnsinn“, urteilt ein europäischer Privatfinancier, „wo sind die Werte, die sie stützen sollen?“ Panama hat keine Goldreserven, kein Erdöl und keine stabile Exportindustrie. 40 Prozent seiner Deviseneinnahmen erwachsen aus Transaktionen, die mit dem Bank- und Währungsgeschäft zu tun haben. Als Präsident Arnulfo Arias in den vierziger Jahren eine Währungsreform plante und angeblich schon die Balboa-Scheine im Büro liegen hatte, wurde er auf Betreiben der USA gestürzt. Mario de Diego, der Vorsitzende der staatlichen Bankkommission, mußte kürzlich vor dem Aufsichtsrat einer großen Bank der USA zu einem Klärungsgespräch erscheinen. Außer einer Währungsreform fürchten die Banker die Lockerung des Bankgeheimnisses und staatliche Regulierung der Kapitaltransfers. De Diego kategorisch: „Keine der Spielregeln, die aus Panama ein internationales Finanzzentrum gemacht haben, wird verändert.“
In der Bankkommission ist man optimistisch. Während der Krise 1977, die die Verhandlungen um die Kanalverträge mit den USA begleitete, soll mehr Kapital abgewandert sein. Und auch im September 1982, als der scheidende mexikanische Präsident Lopez Portillo die Banken verstaatlichte und Devisenguthaben in Landeswährung zwangskonvertierte, wurde die internationale Finanzwelt in Panama stärker erschüttert. Von den 500 Millionen Dollar lokaler Guthaben, die nach Beginn der Krise im Juni 1987 abwanderten, waren laut de Diego im September 100 Millionen wieder zurückgekehrt. Derzeit liegen sie bei 3,25 Milliarden.
Das internationale Geschäft ist zwar auch merklich zurückgegangen, und zwischen einer und drei Milliarden Dollar von insgesamt rund 15 Milliarden wurden vorsichtshalber in Finanzzentren von Grand Cayman, Miami oder den Jungferninseln transferiert. Aber kaum eine Bank hat wegen der Krise ihre Zweigstelle in Panama zugesperrt. „Mit politischen Veränderungen leben wir, seit wir in Lateinamerika tätig sind“, erklärt Werner Lüthi, der Direktor der Filiale der Schweizerischen Bankgesellschaft, pragmatisch, „für uns gibt es keinen Grund zum Rückzug.“ Er schätzt, daß der Tiefpunkt der Vertrauenskrise erreicht ist und das Geschäftsvolumen insgesamt bei normaler Entwicklung in zwei bis drei Jahren wieder den Stand vom Juni 1987 erreichen kann.
Zwar wird es keinen eigenen Balboa geben, doch in der Praxis zirkuliert längst eine heimliche Zweitwährung: die gestückelten Schecks, mit denen die Regierung ihre rund 150.000 Angestellten bezahlt. Man kann damit nicht nur Steuern, Telefon- und Stromrechnung zahlen, sondern auch in größeren Geschäften einkaufen. Und Panama produziert erstmals in seiner Geschichte seine eigene Inflation: eingefrorene Guthaben werden von anonymen Zinshaien, die täglich in den Zeitungen inserieren, gegen Bargeld aufgekauft: mit zehn Prozent Rabatt.
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