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Israels Optionen

Was hätte Israel anzubieten, sollte es zwanzig Jahre nach dem Juni– Krieg tatsächlich zu israelisch– jordanischen Gesprächen über die Zukunft der Westbank kommen? Ungeachtet verschiedener Standpunkte der einzelnen Parteien haben alle Lösungsvorschläge aus dem Lager der Koalitionsregierung drei Punkte gemein: die Aufrechterhaltung des Status quo in den besetzten Gebieten, die Ausschaltung der PLO als politischem Faktor und die Ablehnung eines unabhängigen Palästinenserstaates. Der Teufel steckt freilich im Detail. Die Vorschläge reichen von einer gemeinsamen israelisch–jordanischen Verwaltung der Westbank über eine lokale palästinensische Selbstverwaltung bis hin zur Annexion. Konföderation mit Jordanien Die Führung der Arbeiterpartei unter Außenminister Peres tendiert zu einem „funktionalen Kondominium“ mit Jordanien. Die Kontrolle über die Westbank bliebe dabei in israelischer Hand, Jordanien würde sich jedoch der lokalen Belange der palästinensischen Städte und Dörfer sowie der Flüchtlingslager mit Unterstützung einer eigenen Polizeitruppe annehmen. Über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren hinweg soll diese Zwischenlösung dann zu einer Art selbstverwalteten, „palästinensischen Einheit“ am Ostufer des Jordan führen - mit Ausnahme der jüdischen Siedlungen. Ein solches Gebilde wäre zwischen Israel und Jordanien eingezwängt. Eine Konföderation beider Staaten wird in Kreisen der Arbeiterpartei als endgültige Lösung ins Auge gefaßt. In den letzten Jahren haben beide Seiten stillschweigend den Boden für eine derartige Regellung vorbereitet, indem „pro– jordanische Elemente“ gefödert und zugleich gewerkschaftliche oder politische Aktivitäten der Palästinenser eingeschränkt wurden. Die Konzepte der Rechten Unter den Führern des Likud– Blocks von Ministerpräsident Itzhak Shamir gibt es in der Frage der Zukunft der besetzten Gebiete erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Shamir befürwortet eine Fortschreibung der Camp–David– Verträge und möchte den Palästinensern eine lokale Selbstverwaltung oder „Autonomie“ zugestehen. Minister Ariel Sharon vertritt demgegenüber die Auffassung, der Jordan solle künftig die Grenze zwischen einem Großisrael und einem palästinensischen Staat in Jordanien bilden, wohin alle Palästinenser gehörten. Für die Annexion der besetzten Gebiete sprach sich kürzlich Minister Arens aus. Dies ungeachtet statistischer Voraussagen, daß die palästinensische Bevölkerung in der Westbank und dem Gaza– Streifen zu Beginn des nächsten Jahrhunderts von heute 1,4 Millionen auf 2,4 Millionen anwachsen wird. Über die Zukunft der Palästinenser in einem solcherart vergrößerten jüdischen Staat (1983: 3.366.000 Juden, 689.000 Araber) äußerte Arens sich nicht. Eine Annexion würde zugleich verschärft die Frage nach der Stellung der großen arabischen Minderheit in der Gesellschaft aufwerfen. Schließlich gibt es noch den Vorschlag einer einseitig von Israel verkündeten „Autonomie“ für die palästinensische Bevölkerung - ohne eine Koordination mit Jordanien also. Von einem solchen Vorgehen erhofft sich Reservegeneral Benjamin Ben–Eliezer, ein Parlamentsabgeordneten und ehemalige „Koordinator für Regierungsaktivitäten“ in den besetzten Gebieten, eine seiner Ansicht nach absehbare Konfrontation mit den Palästinensern zu vermeiden. Doch eine solche Selbstverwaltung ähnelt dem Autonomie–Vorschlag der Camp–David– Verträge, der von den Palästinensern als eine Art südafrikanische Homeland–Politik abgelehnt wurde. Ben Eliezer meint, Arbeiterpartei und Likud–Block könnten sich durchaus auf eine „einseitige Autonomie“, zumindest als Übergangslösung, einigen. Selbst König Hussein könne dem zustimmen, denn er verfolge ein gemeinsames Ziel mit Israel, nämlich die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates zu verhindern. Gegenseitige Anerkennung Für den Leiter des „Internationalen Zentrums für Frieden im Nahen Osten“ in Tel Aviv, Arieh Yaari, hingegen liegt die einzige Chance in einer Übereinkunft zwischen den USA und der Sowjetunion über eine internationale Friedenskonferenz. Der Initiative von Peres, eine solche Konferenz zum Auftakt bilateraler Gespräche mit Jordanien einzuberufen, steht er skeptisch gegenüber. Er bezweifelt, daß es Peres noch gelingen werde, die Koalition von seinem Vorhaben zu überzeugen oder sie an dieser Frage platzen zu lassen. Denn es gäbe, so Yaari, in der israelischen Öffentlichkeit nur eine Minderheit, die erkenne, daß eine Beibehaltung des Status quo nach zwanzigjähriger Besatzung in die Katastophe führen werde. „Die chauvinistische Rechte ist, zumindest vorübergehend, siegreich aus der jüngsten scharfen Konfrontation zwischen Peres und Shamir hervorgegangen. Die Sackgasse könnte nur überwunden werden, wenn die UdSSR und die USA eine Einigung über eine internationale Konferenz erzielen, was Washington bisher strikt abgelehnt hat“, faßt Yaari seine Position zusammen. Anläßlich des zwanzigsten Jahrestages des Junikrieges hat das Zentrum, das zu dem sogenannten Friedenslager zählt, mit einer Unterschriftenkampagne begonnen, in der das Ende des israelisch–arabischen Konflikts und der Besatzung gefordert wird. „Die Zeit ist gekommen, um einen Frieden zu erreichen, der auf gegenseitiger Anerkennung, territorialem Kompromiß und Selbstbestimmung basiert“, erläutert Yaari“. Nur ein solcher Frieden wird Israel Sicherheit garantieren, die Wünsche der Palästinenser nach Selbstbestimmung realisieren und zu regionaler Stabilität führen“. Amos Wollin

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